38° 39′ südliche Breite, 143° 6′ östliche Länge
Nach der Inselmania der vergangenen Posts (Neuseeland, Tasmanien, Kangoroo Island, Guidecca) gibt es heute mal wieder festen Kontinentboden unter den Füßen. Und zwar den ältesten: AUSTRALIEN. Er besteht aus einer Landmasse, die mehrere Milliarden Jahre alt ist und sich seither nur unwesentlich verändert hat. Aber das wäre eine (geologische) Geschichte für sich. Für mich fühlt es sich jedenfalls sehr gegroundet an.
Ich starte am Flagstaff Hill Maritime Village, rund um Warrnambool Lighthouse, das die Pionieratmosphäre eines Küstenhafens und Walfängerort aus dem 19. Jh. widerspiegelt. Fahre von dort die Great Ocean Road (Straße B 100, 243 km) entlang der rauen Schönheit der Südküste Victorias. (Australien hat 7 Bundesstaaten, einer davon ist Victoria). Die Straße ist eine der bekanntesten Scenic Routes und wird wegen der mehr als 700 an der Küste versunkenen Schiffe auch ‚Ship Wreck Coast‘ genannt.
Die Landschaft, die mich mit fluffig weißen Wolken und bis ans Meer reichenden grünen Hügeln an das nördliche Schottland erinnert, passt heute jedoch so gar nicht zum düsteren Namen der beeindruckenden Küste.
Die Idee dieser Straße reicht zurück ins Jahr 1864, sie sollte in erster Linie eine Verbindung der zahlreichen Küstenorte und Fischerhäfen entlang der Küste sein, die bis dahin nur per Schiff zu erreichen waren. Im Jahr 1919 begann der Bau. Ausgeführt wurden die Arbeiten von 3.000 nach dem Ersten Weltkrieg heimgekehrten Soldaten. Ein Denkmal erinnert an sie.
1932 war eine der landschaftlich reizvollsten Küstenstraßen der Welt fertiggestellt.
Plötzlich erheben sich Teile der Küste zu Steinsäulen – erstarrt in der tosend türkisen Brandung des Southern Ocean. Wind und Wellen haben in Jahrhunderten die Küste zurückgedrängt und diese gigantischen bis zu 60 Meter hohen Felstürme herausgeschnitten im Meer stehen lassen.
Die 12 Apostles sind Kalksteinsäulen, erdgeschichtliche Monumente, die einst mit den Klippen des Festlandes verbunden waren. Wellen und Wind formten erst Höhlen, dann Bögen und schließlich die hohen Säulen.
Aktuell gibt es nur noch acht Apostles, aber wer weiß, wann die nächsten Felsvorsprünge zu Säulen werden?
Epische Brandung. Die Wellen kommen und gehen. Auf – und ab – im ewigen Rhythmus der Natur.
Genieße stundenlang den Lookout-Blick auf die bizarre Küste.
Mache obsessiv ein Photo nach dem anderen. Das geht nicht nur mir so – die 12 Apostels sind nach dem Uluru (keine Sorge darüber blogge ich auch noch…) das meist photographierte Motiv Australiens. Ein Klickmagnet.
Auf zur nächsten Bucht. Schuss und Gegenschuss.
Die Küstenerosion hat noch weitere bekannte Felsformationen geschaffen wie auf Photo unten Loch Ard George mit dem einstigen über 25 m hohen Bogen Island Archway.
Die unablässig auf die Küste prellenden Wellen machen nicht nur den Schiffen zu schaffen.
Die Felsenbucht wurde nach dem Klipper Loch Ard benannt, der 1878 vor dem Ende einer dreimonatigen Schiffsfahrt von Großbritannien nach Melbourne im Nebel auf Grund lief und sank. Von 54 Menschen an Bord überlebten nur ein Schiffsjunge namens Tom Pearce und Eva Carmichael, eine Irin, die mit ihrer Familie einwandern wollte. Beide waren 18. Tom wurde an den Strand gespült und rettete anschließend Eva, die fünf Stunden geschwommen war, in die Bucht gespült wurde und dort nach Hilfe rief. Eva blieb noch sechs Wochen lang in Australien, bevor sie auf einem Dampfschiff in ihre Heimat zurückkehrte. Schade – hätte eine romantische Lovestory werden können.
Der steinerne Island Archway Bogen stürzte 2009 ein. Nun sind nur noch zwei einzelne Felsenpfeiler zu sehen. Sie heißen seit dem Einsturz offiziell Tom and Eva nach den einzigen Überlebenden dieser Schiffskatastrophe. Narrative Felsen.
Aller guten Dinge sind drei – schaue mir last but not least noch den London Arch an. Er wurde durch natürliche Erosion abgetragen, so dass er bis 1990 einen Doppelbogen formte und zur Küste reichte. Damals wurde die Felsformation noch London Bridge genannt.
Solche Bögen entstehen, wenn Formationen aus unterschiedlich widerstandsfähigen Gesteinen Wind und Wetter ausgesetzt sind, so dass manche Bereiche schneller verwittern und unterspült werden als andere. Die langsamer verfallenden Bereiche bilden dann Bögen, die allerdings auch früher oder später in sich zusammenbrechen.
Achtung, fertig, los und lauf
Vor uns bricht der Himmel auf
Wir schaffen es zusammen
Übers Ende dieser Welt
Die hinter uns zerfällt. Tokio Hotel
Der innere Bogen – die Brückenverbindung zum Festland – stürzte am 15. Januar 1990 unerwartet ein. Zwei Touristen, die sich zum Zeitpunkt des Einsturzes auf dem Felsen befanden, mussten mit Helikoptern gerettet werden. Die Formation wurde nach dem Ereignis in London Arch umbenannt.
Aus geologischen Zeiträumen, wie der oben abgebildeten Zeitspirale betrachtet, haben wir es hier nicht mit Ewigkeit sondern mit geologischen „Eintagsfliegen“ zu tun. Géologie Vivante.
Die spektakuläre Great Ocean Road schlängelt sich weiter entlang der Klippen des wilden und windgepeitschten Southern Ocean. Ich schaue mir, dicht ans Busfenster gepresst, die vorbeifliegenden Aussichten entlang der legendären Straße mit ihren zerklüfteten Klippen, leeren Stränden, Steilküsten und leuchtend grünen Landschaften mit riesigen Rinderherden an.
The captain of my own adventure. Ich alleine in Australien (zumindest für einen Tag).
Next Stop: Sydney (Opera House) – auch ein nicht gerade unbeliebtes Photomotiv.