50°10′ nördliche Breite, 8°68′ östliche Länge
Long no see…ich war die letzten Wochen mehr auf (m)einer inneren Lebensreise, weniger bis gar nicht an neuen Orten. L(i)ebe noch mehr von innen nach aussen, halte Frequenz und arbeite bewusst daran die Übertragung von der inneren Festplatte mit all ihren Programmen und Glaubenssätzen auf den Bildschirm der Aussenwelt fine zu tunen…Inside Out. Erinnert mich an meine Lieblingssushis – Inside Out Rolls – japanisch Uramaki, „von innen gerollt“, und so fühle ich mich augenblicklich: von innen gerollt. Maki (gerollte Sushi) sind die bekannteste Form von Sushi, dabei kann das Algenblatt (Nori) sowohl außen (Hoso-Maki, Futo-Maki) als auch innen (Ura-Maki) sein.
Seit vorgestern bin ich vaccinated and ready to party...Apropos Party – ich bin kurioserweise im gleichen Haus geimpft worden, wo ich am Vorabend des ersten Lockdowns noch eine rauschende Party feierte. Nun tanze ich von dort hinein in den (1.) Mai…zumindest vor (Vor)Freude. Alles neu macht der Mai…ganz im Hier und Jetzt erfreue ich mich im Arzttreppenhaus während der 15 minütigen Nachbeobachtungszeit an der zart weiß-rosanen Kirschblüte im verwunschenen Garten vor dem Fenster. In Japan heisst sie Sakura und gilt als ein Symbol für Erneuerung, Vitalität und Schönheit. Für das kollektive Bewundern der Kirschblüte gibt es eigens ein Fest: Hanami !
Wer das herrschaftliche,1886 im Stil der Neorenaissance gebaute, Haus im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen betritt, begibt sich auf eine Zeitreise ins 19. Jh. Viele seiner Flure und Räume gestaltete der 1841 geborene Dekorationsmaler JMK (Johann Matthäus Keuffel), dessen Fähigkeiten großbürgerliche Familien seinerzeit gern beanspruchten, um ihre Villen stilgerecht zu schmücken. Fast alle dieser ausgemalten Prachtbauten sind zerstört. Nicht so die historische Off-Location Schweizer 5. Keuffel gestaltete übrigens auch die alte Oper, den Palmengarten, das Kurhaus Wiesbaden. Zur Bauzeit war Sachsenhausen ein Dorf, das Stadt werden wollte. Erst 1877, ist laut Stadtteilchronik, der Name Schweizer Straße verbürgt. Warum sie so heißt, bleibt ungeklärt. Vielleicht, mutmaßt der Stadthistoriker Hans-Otto Schembs, war die Schweiz den Leuten damals ein Sehnsuchtsort. Genau wie heute – sehr treffend beschrieben im FAZ Artikel „Die Rückkehr des Lächelns an den Zürichsee“ vom 30.04. über die Öffnung der Außengastronomie in der Schweiz.
Beim Verlassen des Hauses lasse ich nochmals meinen Blick über die Deckengemälde schweifen, rosa Engel tanzen durch grünlichblaue Lüfte, Vögel segeln umher, pastellne Bänder umwehen eine geflochtene Blütengirlande. Aus der Mitte der luftigen Himmelsszene baumelt ein prachtvoller, vielarmiger Messing-Kronleuchter. Im Vestibül des Hausflurs scheint die Sonne durch das kreisrunde Oberlicht. Ich lächle.
Wohlgelaunt halbgeimpft spaziere ich noch ein wenig durch meinen alten Sachsenhäuser Kiez, vorbei am Städelgarten, wo mildes Frühlingslicht durch die Oberlichter des maigrünen Teletubby Hügels hinunter in die Kunstsammlung scheint.
„Spieglein, Spieglein an der Wand…“
Hänge in Gedanken noch dem bedauerlicherweise nicht stattfindenden Tanz in den Mai und seinen heidnischen Ursprüngen in der Walpurgisnacht nach. Walpurgis ist Schutzheilige gegen Pest, Husten und Tollwut, hoffentlich auch gegen Corona. Traditionell galt die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai als die Nacht, in der Hexen auf dem „Brocken“, aber auch an anderen erhöhten Orten, ein großes Fest abhielten. Diese Vorstellung ist beeinflusst von den Beschreibungen des Hexensabbat in der Literatur des 15. Jahrhunderts.
Assoziativ denke ich auch an Hieronymus Bosch`s Hexensabbat. Leider ist dieser nicht auf Ecce homo, dem einzigen Kunstwerk welches das Städel von ihm besitzt, zu sehen, sondern in „Die Versuchung des Heiligen Antonius“.
Da Bosch ins Zentrum des Altarbildes einen Hexensabbat rückt, wird spekuliert, er könne vom 1486 erschienenen Hexenhammer inspiriert worden sein. Dieser zählte vermeintliche Kennzeichen dämonischer Gestalten auf und trug damit zur Ausbreitung des Aberglaubens bei. Auf jeder der Bildtafeln des Triptychons ist der Mönch Antonius abgebildet. Auf der Linken fliegt er im ekstatischen Gebet liegend mit Dämonen durch die Lüfte, das „Unterwegs sein“, die Lebensreise als solche thematisierend. Bosch malte halluzinativ eine schattenhafte, vom „Bösen“ besessene Traumwelt. Der einzige „Ausweg“ aus dieser irdischen Hölle und die Erlangung des inneren Friedens wird im oberen linken Bildfeld angedeutet: Ein Schiff mit geblähtem Segel scheint, ganz nah am Bildrand, in eine andere, möglicherweise bessere Welt aufzubrechen.
Mein Geist ist ruhig wie ein Schiff im Hafen, was gleich Kurs aufnimmt und aufs Meer hinausgleitet. Ich nehme in den ersten Momenten jeden neuen Tages das Steuer in die Hand. Meine ersten Gedanken bestimmen den Kurs meines Tages…Jeden Tag weiß ich mehr um die Kraft meiner ersten gedanklichen Ausrichtung, jeden Tag bin ich mehr auf meinem Weg. Die Gedanken die ich jetzt aussende bestimmen die Route des Tages: Inside Out ! Zu Zeiten von Bosch wäre ich wahrscheinlich für ein magical girl oder gar eine Hexe gehalten worden…
In der Schweizer 5 geht man beim Hinein- und Hinauskommen über die in das Türschwellen Mosaik eingelassenen Buchstaben: SALVE. Der lateinische Gruß (im Plural salvete) bedeutet „sei gesund“ bzw. „seid gesund“. Es ist der Imperativ von salvere – gesund sein, gesund bleiben, wohlbehalten sein. In diesem Sinne !
Salve pater patriae! Bibas, princeps optime!
„Sei gegrüßt, Vater des Vaterlands! Trinke, bester Fürst!“ – Grußwort beim jährlichen Starkbieranstich auf dem Nockherberg. Die erste Maß, die früher dem Kurfürsten zustand, wird seit 1965 dem bayerischen Ministerpräsidenten gereicht.
Der Nockherberg wird sicher auch in der Walpurgisnacht heimgesucht!