Eigentlich wollte ich ab heute Nachmittag langsam in einen kontemplativen Karwoche Mood gleiten aber vor lauter Videokonferenzen wurde nichts daraus. Und dann musste ich auch noch einen Beitrag für die Gastrofachpresse schreiben, den ich jetzt mal als Pre-read mit euch teile. Dabei fiel mir eben auf, dass der Gründonnerstag, dies cenae domini (lat „Tag des Abendmahls des Herrn“) eigentlich ganz viel mit Essen und Trinken zu tun hat. An ihm gedenken Christen des letzten Abendmahls Jesu mit seinen zwölf Aposteln am Vorabend seiner Kreuzigung. The Last supper.
Nun zu den Fragen des Interviews, über die Auswirkung der Corona Pandemie auf die Gestaltung von gastronomischen Räumen, und meinen Antworten.
Wie wird sich die derzeitige Corona-Pandemie mittel- und langfristig auf die Gestaltung von Gastronomieobjekten und damit auf die Arbeit der Interior Designer auswirken?
Wie meist liegt in der Krise auch eine Chance. Kurzfristig wird die große Sehnsucht nach menschlicher Begegnung und Wir Kultur (die aktuell sowohl im digitalen Raum als auch z.B. auf den Balkonen intensiv gelebt wird) zu einem Nachholbedarf führen. Sicher werden viele zunächst die soziale Gemeinschaft rund ums Essen und Trinken zelebrieren und wieder bewusster schätzen. Mittelfristig könnte es sein, dass durch die gesellschaftlichen Veränderungen und slowdown Erfahrungen der letzten Monate ein größeres Bewusstsein für Qualität statt der Quantität des schneller, billiger, mehr entsteht. Dies könnte zu einer größeren Nachfrage von regionalen Produkten und zu neuen Netzwerken mit regionalen Produzenten führen. Dieser Trend zu einer Glokalisierung bedeutet auch für das Interior einen Fokus auf das Regionale des Genius Loci, ein eher puristisches Design mit naturbelassenen Materialien und einem Hang zur inszenierten Imperfection.
Werden (neue) Gastronomieobjekte nach der Corona-Zeit anders aussehen?
Ich denke ja und nein – es wird die „Weitermacher“ wie bisher und die „Gut (oder gar) Bessermacher“ geben. Die renommierten und beliebten unter den „Weitermachern“ werden versuchen auf Business as usal zurückzuschalten und damit auch bei vielen Gästen gut ankommen, aber es wird auch einige geben die mit ihrem klassischen Angebot nicht überleben. Und dann eben die „Bessermacher“, die sich mit ihren Konzepten noch mehr als vorher an den Bedürfnissen der Kunden orientieren und für das Next Normal der postviralen Ära aus der Krise geschärft hervorgehen.
Es wird noch mehr als bisher um gelungene Konzepte gehen, die mit kuratierten Specials auf die individuellen Bedürfnisse des Gastes nach Erlebnissen, getreu dem Motto: „Collect Moments not things“, eingehen. Open for all oder Invitation only Events für ein exklusiveres Community Gefühl, ein individualisiertes 360 Grad Gasterlebnis vor- und nach dem Restaurantbesuch mit Kochkursvideos, Rezepten für Zuhause, Liefer- Shopping und Geschenkideen, was gleichzeitig auch zu einer Beschleunigung der Digitalisierung in der Gastronomie führen könnte.
“I wouldn’t say that I chose a profession, but rather a lifestyle. A culinary lifestyle that allows me to express myself, to feel part of a community, to be creative, and live an exciting life.“ Alexi Zopas, Chef Scorpios Restaurant
Werden die Menschen wieder mehr auf Distanz gehen wollen – oder gerade erst recht zusammenrücken? Was bedeutet das für die Gestaltung von Gastronomieobjekten?
Hier wird es zunächst sowohl das „Social distancing“, was eigentlich eher “Physical distancing“ heißen müsste geben als auch, sobald legal wieder möglich, das Genießen von Nähe und Dichte. Das bedeutet in erster Linie Flexibilität in Raumprogramm- und aufteilung sowie ein modulares Interior. Das kann sich aus 2er Tischeinheiten, die flexibel, schnell und leicht zu Tischen mit x Anzahl Sitzplätzen gestellt werden können, Sitzhocker die auch als kleiner Beistelltisch dienen können, zusammensetzen. Je nach vorhandener Raumsituation können auch Zonierungselemente (z.b. begrünte Raumtrenner) mit denen Raum(bereiche) je nach Tageszeit, Besucheranzahl, gesetzlichen Auflagen zu Höchstgrenze Kunde pro qm, wichtige Interventionen sein mit denen man die Dichte des Gastflusses strukturiert und durch den Raum navigiert. Bei dieser Herausforderung können Interior Designer mit ihrer dreidimensionalen innenarchitektonischen Expertise sehr hilfreich sein.
In der auferlegten „Quarantäne“ haben es sich die Menschen zu Hause einrichten müssen – wird sich dieses Wohnzimmer-Gefühl wieder noch stärker in der Gastronomiegestaltung wiederfinden?
Generell erleben wir ja schon seit Jahren diesen Hang zur „Verwohnzimmerung“ von Hospitalitybereichen. Daher wird sich das weniger in der Gestaltung, als im Teilen des Essens und Kochens manifestieren. Entsprechende Konzepte gibt es schon, beispielsweise rund um Claus Sendlingers SLOW Kosmos (sensibel, lokal, organisch, weise), teils mit Farm (biologisch-dynamisch bewirtschaftet), wo die Gäste ihre Kräuter fürs Frühstücksomelette oder den Kürbis für die Suppe selbst pflücken. Oder auch in dem von uns geplanten LINDLEY LINDENBERG Hotel in Frankfurt mit Indoor Farming und kollektiven Kochlandschaften.
Parallel gibt es aber auch noch den Trend zur Hybridisierung. Das Restaurant wird zum Coworking Office, zum Barber, zum Shop, zum Selfie Spot, zum Partyraum. Diese räumliche Form der meist positiven Überbelegung bedarf innovativer experimentaler Gestaltung mit Liebe zu Multifunktionalität und Improvisation.
Ein weiterer Punkt ist die Renaissance des Kochens, die gerade erlebbar ist. Bis vor wenigen Wochen haben sich die Mahlzeiten der Arbeit angepasst – Stichwort Snackification. Nun, wo ein großer Teil der Bevölkerung im Homeoffice sitzt, wird das Essen wieder das, was es früher einmal war – ein Versorgungskochen und weniger Hobby – eine Struktur die den Tag gliedert und das Gemeinschaft stabilisierende Kommunikationshighlight des Tages bildet.
Ein innovative Idee hierzu bietet jetzt ein Frankfurter Restaurant: „MARGARETE IN DEINEN EIGENEN VIER WÄNDEN“. Dort werden Dinner, Bistro & Stammboxen angeboten, die frisch gekocht und fast fertig vorbereitet sind, sodass nur noch heißes Wasser und ein Ofen gebraucht werden. Per Lieferung oder Abholung kommt dann die individuelle Box auf Wunsch auch mit passendem Wein, Specials wie Trüffelöl und sogar einer Playlist für die passende musikalische Untermalung.
Ich freue mich schon sobald als möglich in den Restaurants zum ersten Mal wieder gemeinsam am Tisch zu sitzen und Essen und Trinken zu teilen. The first supper.