51°86′ nördliche Breite, 13°95′ östliche Länge
…und früher dunkel…
Komm in mein Boot
Ein Sturm kommt auf
Und es wird Nacht…
Doch noch nicht jetzt – und zur Beruhigung – der untergegangene Kahn war nicht mein Gefährt durch die verwunschenen Fließe des Spreewaldes, auch wenn ich ihn recht schwarzromantisch finde…
Wo willst du hin – so ganz allein treibst du davon
Meist sieht es bei meiner Fahrt durch die stille Auen- und Moorlandschaft des Spreewald (UNESCO-Biosphärenreservat) eher idyllisch aus. Ich gleite vorbei an alten Efeu umrankten Holzhäusern, bewundere ihre feuchten Gärten mit den letzten mauve blühenden Rhododendren.
Der Spreewald (sorbisch Błota, „die Sümpfe“) ist beliebt, seit Fontane 1859 von ihm schwärmte. Alsbald machten sich vor allem BerlinerInnen in einer eintägigen Fahrt mit der Kutsche auf nach Südosten um die geheimnisvollen Fließe kennen zu lernen.
Am Wegesrand gibt es pittoreske Restaurants wie das das romantisch im Wald gelegene Kaupen No 6, wo ich das nächste Mal einkehren werde. Bis ins Jahr 2000 war das auf Pfählen ruhende Holzgebäude, wie so viele hier, nur über den Wasserweg zu erreichen. Die Versorgung erfolgte ausschließlich mit dem Kahn. Jetzt war ich auf einer Kahnfahrt mit Verkostung und genoss eine „bunte“ Mischung Spreewaldgurken aus Lübbenau: Gewürz, Salz-Dill, Senf, Knoblauch – laut Fontane „Vaterland der sauren Gurke“.
Etwas sportlicher als ich ist der SUP Mann im Labyrinth des Wassermanns unterwegs. Der Sage nach lebt er hier mit seinen schönen Töchtern, die gerne auf Volksfesten tanzen und danach manch Arglosen in das Reich der Nixen locken.
Im Spreewalddschungel gibt es nicht nur vereinzelt Menschen sondern auch Tiere zu sehen –
Wild und Schafe.
Und auf einigen der traditionellen Häuser auch Schlangen. Das zweiköpfige Symbol auf dem Dachgiebel, was für den Schlangenkönig stand, war ein Schutz der Bewohner, denn in früheren Zeiten zeigten Schlangen mit dem Rückzug auf die Kaupen, etwas erhöhte und daher nicht vermoorte „Inseln“, eine bevorstehende Überschwemmung an. Die BewohnerInnen konnten somit sich und ihre Tiere rechtzeitig retten.
Es gibt hier viele Sagen – eine besagt, dass der Teufel den Spreewald erschaffen habe. Mit zwei großen schwarzen Ochsen vor einem Pflug soll er herbeigeschritten sein, um damit das Bett der Spree aufzubrechen. Doch die Tiere weigerten sich, zogen mal nach rechts, mal nach links. Schnell verlor der Teufel die Geduld und zog sich brüllend in die Hölle zurück. Die Ochsen jedoch jagten weiter, Hunderte von Gräben ziehend, ehe sie ebenfalls verschwanden. Zurück blieb eine einzigartige Fließlandschaft.
Extrem flach – aufgrund der Lage in den Urstromtälern der Eiszeit.
Die entlang der Fließe immer wieder auftauchenden Stogs (Heuschober), heute nach Trockenlegungen eigentlich nicht mehr notwendig, dienten in früheren Zeiten, als drei Generationen sich ein Schlafzimmer teilten, als Liebesversteck. Es hieß wenn die Heuschoberstange wackelte wurden Kinder gezeugt…
Die natürliche Flusslaufverzweigung der Spree wurde im Laufe der Jahre durch angelegte Kanäle, die meist breiter sind als die alten Fließe, deutlich erweitert. Zusammen erstrecken sie sich über eine Gesamtlänge von fast 1.000 Kilometern.
1933 ließen sich 61.000 Besucher mit dem Kahn staken, 1950 400.000, heutzutage etwa eine Million. Doch November ist im Spreewald eine ruhige Zeit, viele Kähne sind am Uferrand rücklings auf Pfähle gestellt und halten Winterschlaf.
Einige fahren aber noch solange es hier nicht zufriert.
Wenn der Spreewald den Atem anhält…komme ich vielleicht wieder.
…Komm in mein Boot
Die Sehnsucht wird
Der Steuermann…
…Am Ende bleib ich doch alleine
Die Zeit steht still
Und mir ist kalt
Jetzt fahre ich erstmal nach Venedig. „Ein Venedig, wie es vor 1500 Jahren gewesen sein mag, als die ersten Fischerfamilien auf seinen Sumpfeilanden Schutz suchten. Man kann nichts Lieblicheres sehen als dieses Lehde, das aus ebenso vielen Inseln besteht, als es Häuser hat. Die Spree bildet die große Dorfstraße, darin schmalere Gassen von links und rechts her einmünden. Wo sonst Heckenzäune sich ziehn, um die Grenzen eines Grundstückes zu markieren, ziehen sich hier vielgestaltige Kanäle…“ schrieb Fontane über den Spreewald.
Der beste Seeman bin doch ich!