47°48′ nördliche Breite, 9°38′ östliche Länge
On the road again – Weekendtrip in die Hügellandschaft des Kraichgaus im nordwestlichen Baden-Württemberg. „In pago Creichgouue“ – mit diesem Eintrag im Codex des Klosters Lorsch vor 1250 Jahren wird erstmals die Landschaft genannt, die heute als „badische Toskana“, als „Land der tausend Hügel“, bekannt ist. Reisen bedeutet für mich, nach Monaten der Enthaltsamkeit mehr denn je, offen sein – neugierig auf die Welt da draussen – egal ob fern oder, wie jetzt 150 Kilometer, nah und kurz.
Die namensgebende Kraich entspringt westlich des Strombergs nahe Sternenfels, tritt später in das Tiefland ein und mündet in den Rhein. Nach Regenfällen, wie heute Nacht, tragen die Kraichgaubäche große Menge gelbbraunen Schlamms mit sich – „Creuch“ wie solcher Schlamm und Lehm früher keltisch hiess. Aber noch wahrscheinlicher stammt der Name vom germanischen Wort für Krümmung und Biegung: „Kraich“, ein mäandrierend sich dahinschlängelndes Fließgewässer, ab.
Up– und, wie auf dem obigen Photo, Downhill schlängelt sich auch der Johannesthaler Golfplatz mit seinen malerisch in die Landschaft eingebetteten Fairways mit Blick weit in den Nordschwarzwald hinein. Ich spiele das erste Mal in so einer schrägen Hanglage, versuche meine Körperhaltung dieser anzupassen und beobachte aufmerksam wie der Ball bergauf höher und bergab flacher fliegt – besondere Situationen erfordern besondere Reaktionen…die Bewegung bei der Ansprechposition sollte etwas kleiner und ruhiger sein, um nicht die Balance zu verlieren…Geschenkt.
Der Kraichgau ist eine tiefe Mulde, die zwischen Odenwald und Schwarzwald einsank, als diese Gebirge sich im Tertiär vor etwa 65 Millionen Jahren anhoben und zwischen sich und den westlicher gelegenen Vogesen und dem Pfälzerwald die heutige Oberrheinische Tiefebene bildeten. Aus dem Oberrheingraben wurden im Eiszeitalter Unmengen Löss als Schluff, staubfeiner, lehmiger Sand, ausgeblasen und im Kraichgau mit bis zu 30 Metern Dicke, mächtiger als sonst in Deutschland, wieder abgelagert. Der Löss und die daraus entstandenen fruchtbaren Böden sind Grundlage für den intensiven Ackerbau, der die Region, als eine der ältesten Kulturräume Europas bis heute prägt. In diesem Gebiet war schon vor über einer halben Million Jahren der Homo heidelbergensis zu Hause. Bis heute ist ein 1907 in der Region ausgegrabener Unterkiefer das älteste Fossil der Gattung Homo, das jemals in Deutschland gefunden wurde. Das Kraichgau war durch seine geographische Lage ein leicht bebau- und fruchtbares Siedlungsgebiet von Kelten und Römern, die mit dem Weinanbau nachhaltige Spuren hinterließen. Später durchquerten landsuchende Germanenstämme diese südwestdeutsche Region. Sesshaft wurden seit 260 die Alemannen, von denen ich väterlicherseits abstamme. Doch die gerieten um 500 in Konflikt mit dem benachbarten Fränkischen Reich, da sie sich dort hinein ausdehnen wollten. Nach einem gescheiterten Aufstand mussten sie ihr Herrschafts- und Siedlungsgebiet damals an die Franken abtreten, von denen wiederum mein Mann väterlicherseits abstammt…Völkerverständigung…1500 Jahre später.
Die alten Rebhänge haben die Zeiten überdauert. „Wenn über dem Weinberg es flammt / Und schwarz wie Kohlen / Aussiehet um die Zeit / Des Herbstes der Weinberg, weil / die Röhren des Lebens feuriger atmen / In den Schatten des Weinstocks. Aber / Schön ist’s, die Seele / Zu entfalten und das kurze Leben.„ Hölderlin
Fahren nach badischem Wein- und Tafelgenuss über einspurige crosscountry Sträßchen durch die frühsommerlich schwüle Tropennacht (noch über 20 Grad) und erfreuen uns, des hoffentlich nicht zu kurzen Lebens, bei einem Six Dogs Blue Gin Absacker auf der Terrasse von Freunden. Die genau wie die Spirituose, sonst auch in Südafrika beheimatet sind. Der Master Distiller verwendet Wacholder, Pelargonie, Luzerne, Koriandersamen, und die blaue Klitorie, die farblich gut zu Wetterleuchten und Blitzen passt, welche sich über die Hügel entlang des Strombergs ausbreiten.
Bei uns zuhause hat der Blitz übrigens heute Nacht vor der Tür eingeschlagen, aber zum Glück waren wir on tour statt @home…