1°17′ nördliche Breite, 103°50′ östliche Länge
We sail tonight for Singapore…
Seit ich den Tom Waits Song in den 80ern das erste Mal hörte hatte ich eine Sehnsucht nach dieser Stadt, die eigentlich ein Inselstaat und einer der größten Seehäfen der Welt ist, mit einer Hauptinsel, drei größeren und 58 kleineren Inseln, südlichste Ausläufer der Hinterindischen Halbinseln.
Jahrzehnte später war ich das erste Mal hier – heute wird dort wie in ganz Südostasien Chunjie gefeiert. Das Jahr des (Wasser)Hasen beginnt. Es soll harmonisch werden (der Hase steht für Frieden und Wohlstand) und Erholung vom turbulenten, konfliktreichen Tiger-Jahr bringen.
Happy New Chinese Year!
Von meinem Zimmer im Marina Bay Sands aus habe ich eine spektakuläre Aussicht auf die Supertrees, die eine perfekte Struktur für vertikales Grün bieten, als Belüftungsschächte der Gewächshäuser dienen und mit Sonnenkollektoren auf ihrer Spitze Energie erzeugen. Anthropzäne Mammutbäume.
Nach einem kurzen Anti-Jetlag Morgenschlaf mache ich mich auf zu den direkt am Hotel gelegenen Gardens by the Bays. Die als „Best Attraction in Asia Pacific“ ausgezeichnete Stadtoase mit ihren im üppigem Grün hoch aufragenden, surrealen Strukturen der Supertrees und den riesigen Gewächshäusern gefällt mir wider Erwarten doch sehr gut. Die vertikalen Gärten sind bis zu 50 Meter hoch, mit feuchter tropischer Fülle überwachsen und weniger künstlich als befürchtet.
Zwei der Baumbauwerke sind durch einen 20 Meter hohen Skyway miteinander verbunden. Als ich unter den künstlichen Riesenbäumen über den Skywalk flaniere fühle ich mich wie eine Future Persona in den phantastischen Bildwelten aus Avatar.
Von den Gardens by the Bays laufe ich über die einer DNS Spirale nachempfundenen Helix Bridge in den Colonial District.
Die in den 2000ern entworfene Brücke kommt mir vor wie ein begehbares Rendering der digitalen Nullerjahre. Aber auch die auf der anderen Uferseite liegende Brücke aus der Kolonialzeit scheint mir etwas over the top engineered zu sein.
Über wieviel Brücken musst du gehen?
Singapur wird oft die Schweiz Asiens genannt. Zu recht – alles ist clean und gut im Schuss – der einzige asiatische Staat mit „AAA“ Ranking. Asien Light – geeignet als Einsteigerland in diesen Kontinent. Der Tigerstaat erinnert mich an Dubai – zukunftsoptimistisch verbindet er das Beste aus Orient und Okzident.
Er liebt es auch sich stolz mit Superlativen, wie dem an ein Flugzeug erinnernden Marina Bay Rooftop, mit größten und höchsten Freibad der Welt, zu brüsten. Nicht ganz zu Unrecht – der Infinity-Pool mit Blick auf das Lichtermeer der nächtlichen Skyline war für mich mehr als ein (hoffentlich nicht nur once in a lifetime) #instamoment.
Der Name Singapur entstammt dem Sanskrit und setzt sich zusammen aus Singha (सिंह „Löwe“) und Pura (पुर „Stadt“): Löwenstadt. Der Legende nach gründete im Jahr 1299 ein Prinz aus Palembang das Königreich Singapura nachdem er im dichten Dschungel einen Löwen gesehen hat (vermutlich war es ein malaysischer Tiger, da es in dieser Region keine Löwen gab). Beeindruckt von der friedlichen „Ich schau dir in die Augen, Tiger!“ Begegnung interpretierte er diese als gutes Omen und errichtete eine Siedlung.
Wahrzeichen Singapurs ist seit 1964 der wasserspeiende Merlion (aus Mermaid und Lion), ein Fabelwesen aus Löwenkopf, Stärke und Furchtlosigkeit symbolisierend, und Fischkörper, der für den Ursprung aus und die Verbundenheit mit dem Meer steht. Ich bin auch ein 1964 (im Jahr des Drachen) geborener Fisch…
Endlich angekommen in der kolonialzeitlichen Old Town, die zumindest rund um den Raffle´s Square heute noch recht ähnlich aussieht wie auf den historischen Photos von Lambert.
1819 kam Sir Raffles, Handelsagent der Britischen-Ostindien-Kompanie, in Singapur an und gründete die erste britische Niederlassung – der Beginn des modernen Singapur.
Die Insel war zuvor nur von einigen malaiischen Fischerfamilien besiedelt und eine Zuflucht für Seeräuber gewesen. 1824 hatte die Kompanie die gesamte Insel vereinnahmt, die sie dem Sultan von Johor für 60.000 $ abgekauft hatte. Ein „AAA“ Schnäppchen.
Kein Schnäppchen, aber must-see ist mein Besuch im Raffles, eines der letzten kolonialen Grandhotels. Ein Haus voller Geschichte und Geschichten, wo der letzte wilde Tiger von Singapur getötet worden sein soll.
Im tropisch viktorianischen Innengarten trinke ich einen Singapore Sling (was sonst?) auf diese multiethnische Metropole. 1915 hat Ngiam Tong Boon den Singapore Sling an der Long Bar des Raffles für die Damenwelt erfunden. Damals sah die Etikette nicht vor, dass Frauen in der Öffentlichkeit Alkohol trinken. Somit kreierte der raffinierte Barkeeper einen Drink, der aussah wie Fruchtsaft:
- 3 cl Gin
- 1,5 cl Cherry Brandy
- 0,75 cl Cointreau
- 0,75 cl DOM Bénédictine
- 1 cl Grenadine
- 12 cl Ananassaft
- 1,5 cl frischen Limettensaft
- 1 dash Angostura Bitter
- Crushed Ice
Shake it until you make it... Zur süß-aromatischen Legende knabbern Gäste gerne Erdnüsse; die Schalen dürfen wie früher auf den Boden geworfen werden – das Raffles ist definitiv der einzige Ort in Singapur wo das noch erlaubt ist…
Cheers – ich komme wieder – Happy new you!