54°09′ nördliche Breite, 13°44′ östliche Länge
Eldena – Klosterruine, Ursprung von Greifswald, Geburtsort von Caspar David Friedrich. Zisterzensiermönche gründeten 1199 an der Mündung des Rycks das Kloster. 1248 wurde erstmals das „oppidum Gripheswald„, ein sich etwas fünf Kilometer flussabwärts entwickelnder Marktflecken, in der Urkunde eines Pommernherzogs erwähnt.
Vom ehemaligen Kloster haben sich bis heute Teile der Kirche, des östlichen Klausurflügels, eines Wirtschaftshauses, sowie ein kurzer Abschnitt der Umfassungsmauer erhalten. Ich schaue in eine alte hohe Vergangenheit: „Das Licht ward entfernt...“
Mit der Reformation 1535 wurde das Kloster aufgehoben und in ein herzogliches Amt umgewandelt. Die Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg leiteten dann endgültig den Niedergang des ehemaligen Klosters ein. Im 17. Jh. wurden die zerfallenen Kirchen- und Klausurgebäude als Steinbruch genutzt um Baumaterial zu gewinnen – barockes Urban Mining.
Caspar David Friedrich hielt den Zustand der Ruine, als ein über sich hinausweisendes romantisches Symbol zu Beginn des 19. Jh. in Zeichnungen und Gemälden fest. Das berühmteste ist „Abtei im Eichwald“ – eine Prozession von Mönchen, sich kaum von den schiefen Grabsteinen neben ihnen unterscheidend, schreitet, unter einem schwefelfarbenen Abendhimmel mit zunehmenden Mond, an einem ausgehobenen Grab vorbei, in Richtung der aufragenden Westfassade Chorruine mit Kreuz. Den Hintergrund bilden knorrig kahle Eichenskelette in einer neblig surrealen Winterlandschaft. Das gotische Maßwerk des Westfensters ist Friedrichs Fiktion.
Abtei im Eichwald, 1809, Berlin, Nationalgalerie, Caspar David Friedrich
Dieses Werk und „Der Mönch am Meer“ (dazu mehr im nächsten Post) wurden vom preußischen König Friedrich Wilhelm III erworben. Die Reputation des Ankaufs brachte dem Maler den Durchbruch zum Ruhm. Die „Abtei im Eichwald“ wurde damals als „vielleicht das tiefsinnigste poetische Kunstwerk aller neuen Landschaftsmalerei“ bezeichnet. Ein Zeugnis seiner intensiven Auseinandersetzung mit diesem Ort, der ihn sehr inspirierte. Mich auch.
Der Erhalt der bestehenden Überreste sind Friedrich Wilhelm IV. zu verdanken. An die Stellen der fehlenden Langhauspfeiler des Kirchenschiffs ließ er Eichen setzen, fast wie in Caspar David Friedrichs Gemälde. Seither steht die Klosterruine unter Denkmalschutz. Sie ist die erste Station auf der Route der norddeutschen Romantik.
Diese Route führt nicht nur an historische Orte, sondern auch wie hier in die Seelenlandschaft der schwarzen Romantik. Irrational, melancholisch: dark. Damals als Abkehr der von der Vernunft geleiteten Aufklärung und als Reaktion auf die Schrecknisse der Französischen Revolution. Oft „diente zur Schilderung abseitig-exzessiver Verhaltensweisen und phantastischer, grotesker Phänomene ein verfeinert-dekadenter Ästhetizismus in das Erotisch-Sensitive und Übersteigert-Morbide hinein.“ Wikipedia
“Frau in der Klosterruine” – was verbindet mich heute mit der Romantik ?
Der Exzess des romantischen Geistes, Verlangen, Sehnsucht, Träumerei, die Suche nach der Einheit der Welt durch (Wieder)Verzauberung…
„Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. Romantisieren ist nichts anderes als eine qualitative Potenzierung. Das niedre Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identifiziert. … Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es – Umgekehrt ist die Operation für das Höhere, Unbekannte, Mystische, Unendliche – […] es bekommt einen geläufigen Ausdruck…Wechselerhöhung und Erniedrigung. Fragmente (1799-1800), Novalis
Gibt es auch abseits alter Ruinen eine romantisch-subversive Architektur, die dem Gemeinen der alltäglichen Wirklichkeit und gesellschaftlichen Normalität das Unberechenbare, Fragmentarische, Fiktive und Zauberhafte entgegensetzt ? Welche Parallelen lassen sich zwischen dem heutigen Überdruss an gleichförmigen, emotionslosen Bauten und dem Gedankengut der historischen Romantik ziehen, wo gotische Bauwerke und Ruinen bedeutsame Vermittler der romantischen Ideale waren ? Ich beginne Romantik nicht als Gegenaufklärung, sondern als Beginn der (Post) Moderne zu verstehen. Meine Spurensuche führte mich zum Architekten und Künstler Gordon Matta-Clark (1943-1978), Wegbereiter des Dekronstruktivismus. Er machte Häuser zu Kunstwerken, indem er sie zerstörte. Allerdings kam diese Zerstörung einer Wiedergeburt gleich.
„Vollendete Schönheit und tragische Romantik schimmern in … den Ruinen auf und wecken eine Sehnsucht nach verlorener Einheit. … Im Augenblick der Fertigstellung würden meine Gebäude ihren schicksalshaften Weg zur Ruine antreten, so wie auch das Leben dem Tod entgegengeht. Tatsächlich schliesst der erste Gedanken an ein Gebäude immer schon seinen Verfall mit ein. Architektur muss als Ruine gedacht werden“. Arata Isozaki
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