25°20′ südliche Breite, 131°2′ östliche Länge
Der Uluru ist der größte Stein der Welt. Ein Inselberg inmitten der zentralaustralischen Wüste, 350 Meter aus der sandigen Ebene herausragend – ein weiteres Wahrzeichen des 5. Kontinentes.
Auf meiner Australian Grand Tour flog ich von der quirligen Metropole Sydney ins raue Outback. 3,5 h Flug über die Blue Mountains, Steppe, Salzseen und schliesslich die Wüste: Red Center – das Herz Australiens. Bekomme Gefühl für die unendliche Weite des ältesten Kontinents. Palya! „Mir geht es gut“ auf Aborgines.
Seit ich als Jugendliche, den im Outback spielenden Film „Picknick am Valentinstag“ sah, hatte ich Sehnsucht nach dem damals noch mit englischem Kolonialname Ayers Rock genannten Uluru – der mystischen Mitte Australiens.
Hier, im Roten Zentrum des Northern Territory, liegt das Resort Longitude 131°. Umgeben von Dünen, unendlichem Himmel und Stille erhebt sich der Uluru aus der weiten Landschaft Australiens inmitten der roten Sandwüste des Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark, UNESCO Weltnatur- und Weltkulturerbe.
Doch als erstes sehe ich beim Aussteigen eine Eidechse im staubtrockenen Wüstensand. Totemtiere, die einen Schöpfergeist symbolisieren, in den sich die Ureinwohner in traditionellen Zeremonien (Irma) ockerfarben bemalt verwandeln.
Übernachte in einem der einsamen Zeltpavillons. Glamping pur! (M)eine Traumzeit.
„Traumzeit“ bei den Aborigines ist die Periode während der göttliche Ahnenwesen das Land, die Sprachen und die Menschen erschufen, den Kontinent in unterschiedliche Stammesregionen aufteilten und ihnen diese dann anvertraut haben. Es heisst, dass sie an manchen Orten ihre Energie hinterließen. Der Uluru soll auf einer Verbindungslinie mit anderen Kraftorten und Chakren der Erde liegen. I feel the vibe!
Um den Uluru ranken sich viele Mythen, die das Aussehen der heiligen Felsen zu erklären versuchen, den es zu Beginn der Traumzeit noch nicht gab. In einem der unzähligen Schöpfungsmythen wurde er von zwei Jungen geschaffen, die hier nach einem Regen im Schlamm spielten: Creation Time (Tjukurpa).
Die Geschöpfe die das Land erschufen (Tjukuritja) sind die Vorfahren der Anangu und waren schon seit dem Anfang der Zeit hier. Sie brachten ihnen bei wie man auf die richtige Art und Weise lebt und umherreist. Sie kannten die Lage wichtiger Orte, wußten wie man Wasser findet, Tiere jagt, Buschnahrung findet, Werkzeuge und Waffen herstellt. Alle waren stark, gesund und glücklich! Entgegen den pazifischen Māoris die Krieger waren, sind die Aborigines ein Volk das auch heute noch versucht im Einklang der Natur zu leben.
Dieses Wissen ist in den Songlines der Traumpfade eincodiert. Sie ergeben eine unsichtbare voice map Landkarte, die per Gesang von Generation zu Generation weitergetragen wird und die Grundlage der Wanderungen (Walkabouts) ist – kulturelle Routen die von den Aktivitäten der AhnInnenwesen, die auf ihren Reisen das Land erschufen, erzählen. „White fellows keep their brain in books – we archived knowledge in the land.“
Die Tjukurpa ist eine 360° Experience, ein lebendiges Gesamtkunstwerk, weitergeben durch ebensolche Songs, Tänze, Gemälde, Sandzeichnungen und last not least: Geschichten.
Am Tag bevor ich ankam regnete es. Langsam verziehen sich die dunkelgrauen Wolke, die über dem Uluru schweben. Letzte Rinnsale eines hier seltenen Wasserfalls sind auf dem roten Gestein noch sichtbar.
Wird das Eisenoxid Gestein nass, ändert sich sein Farbton in tief dunkles Grau.
Seit dem 26. Oktober 2019 haben die First People ein Verbot der Besteigung des Berges durchgesetzt: Permanent Closure!
Bis dahin war es erlaubt, aber von den Anangu unerwünscht, da sie in tiefe Trauer fallen, wenn an dem von ihnen als heilig betrachteten Berg Menschen verunglückten. Das Mitnehmen von Sanden und Steinen um den Uluru als Erinnerung ist auch nicht erwünscht. Nach ihrem Glauben muss alles dort enden, wo es begonnen hat – wenn etwas entfernt wird, „können die Geister keine Ruhe finden“.
Der Zutritt zum Uluru kann bei religiösen Zeremonien für Besucher geschlossen werden.
Statt Besteigung mache ich eine Umrundung, was mir bei 40° sengender Hitze auch lieber ist. Der Uluru ist etwa 3 km lang, bis zu 2 km breit und hat an der Basis einen Umfang von rund 9 km.
Im Glauben der Anangu erzählen bestimmte Stätten entlang des Uluru Base Walk Geschichten, die ausschließlich an diesem Ort und nirgendwo sonst gesehen werden dürfen. Deshalb waren Photos an einigen Stätten, die jetzt nur noch in meinen inneren Bildern existieren, verboten. Nach den Stammesgesetzen sind manche Orte zudem für ein Geschlecht oder eine Altersgruppe tabu.
In den durch Erosion gebildeten Höhlen gibt es Felszeichnungen die von der Traumzeit erzählen, sie wurden im Laufe der Jahrtausende wie eine Schultafel genutzt und vielmals durch Übermalen erneuert.
In den 1970er Jahren bespritzten Tourguides die Felswände mit Wasser, um den Farbkontrast zwischen Felsen und den ausgeblichenen Zeichnungen zu erhöhen. Dadurch sind einige Zeichnungen fast zerstört. Um sie zu bewahren und das jahrtausendealte Kulturerbe zu dokumentieren, wurden sie mittlerweile digitalisiert.
Gut so – denn für einige Australier ist der Uluru nur ein big rusty rock with ancient myths of our darkies…
Auf einigen Zeichnungen geht es um die Entstehungsgeschichte der Landschaft: Auf der Sonnenseite des Uluru wohnten Mala, die Känguru-Menschen, und auf der Schattenseite Kunia, die Schlangen-Menschen, in Harmonie und Frieden. Doch dann gab es ein Ereignis, wo beide Stämme sich nicht recht verhielten und bestraft wurden. In einer fürchterlichen Schlacht mit Toten, Schwerverletzten und Feuer bebte die Erde, und der Uluru hob sich aus der ebenen Erde hervor. Damit wurde der Geist der Mala und Kunia zu Stein; die Spuren und die Geschichte des Kampfes können die Anangu noch heute am Uluru ablesen und erzählen.
Mir schwirrt der Kopf vor lauter Geschichten und Fliegen: überall – versuche zumindest mein Gesicht mit einem Moskitonetz zu schützen.
An zwei Stellen am Fuß der Felswände befinden sich ganzjährige Wasserlöcher: sacred spaces. Hier ruht die „Regenbogenschlange“.
Eine Seltenheit in dieser ariden Region mit durchschnittlich nur 270 mm Jahresniederschlag.
Im 1325 km² großen Nationalpark liegen neben dem Uluru auch die benachbarten KataTjuta (Mount Olga), wo geologische Kräfte nicht ganz so stark wirkten.
In den 36 kleineren kugeligen Monolithen der „Olgas“ sehen die Ananga zu Stein gewordene Riesen. Der größte unter ihnen ist immerhin 546 Meter, also fast 200 m höher als der Uluru.
Im Gebiet der Berge leben seit mehr als 10.000 Jahren die Anangu. Expeditionen kamen ab dem ausgehenden 19.Jh. mit dem Ziel es landwirtschaftlich zu erschließen, wofür es jedoch ungeeignet ist. 1920 wurden Teile des heutigen Nationalparks zu einem Reservat für Aborigines. 1936 kamen die ersten Touristen, die europäische Besiedlung begann in den 1940er Jahren, 1958 wurde das Gebiet zum Nationalpark erklärt und die Anangu, die es bis dahin so gepflegt hatten wie von ihren Vorfahren gelehrt, verloren ihre Rechte. 1985 wurde das Gebiet wieder offiziell an sie übertragen und für 99 Jahre an die Nationalparkbehörde verpachtet. Anangu und Piranpa (Weiße) pflegen den Nationalpark nun gemeinsam wie auf einem Dot-Painting im Kulturzentrum ersichtlich.
Die Punktmalerei ist eine traditionsreiche Technik, die aus der Fels- und Bodenmalerei sowie der Körperbemalung hervorgegangen ist. Für die Ureinwohner Australiens hatten die detaillierten Bilder große magische Bedeutung. Der zentrale Kreis in der Abbildung repräsentiert den Uluru-Kata Tjuta Nationalpark. Die 12 darum sitzenden Figuren sind die Boardmembers der Parkverwaltung. Vier nicht indigene Weiße und acht indigene. Die Anangu Rangers sind rechts barfuß dargestellt, die nicht-indigenen links mit Schuhen, etwas weniger mit dem Land verbunden..
Interessant ist auch ein Blick auf die indigene Landkarte – sie stellt Reichtum und Diversität der australischen Ureinwohner dar. Es gibt noch rund 500 Gruppen, die aus einer großen Zahl separater Clans bestehen, jede mit eigener Sprache und Territorium.
Als ich auf der diesjährigen Biennale in Venedig die preisgekrönte Arbeit eines indigenen Künstlers betrachte, ein 65.000 Jahre abbildenden Aborgines Stammbaum – mit weißer Kreide akribisch auf die schwarzen Wände gezeichnet, erinnerte ich mich wieder an die Karte.
Ein langsames, den Künstler auch körperlich forderndes Einschreiben der Geschichte in den Raum. Einige Kästchen sind leer, weil Informationen fehlen, einige verwischt, wie auf einer Schultafel. Es ist ein fragiles Genealogie Geflecht von Sichtbarwerdung einer jahrtausendealten Unsichtbarkeit.
Ever present – die älteste kontinuierliche Kultur der Welt.
„Kith and Kin“ von Archie Moore
Am letzten Abend gehts nochmal zum Sunset Dune Lookout.
I love a sunburnt country,
A land of sweeping plains,
Of ragged mountain ranges,
Of droughts and flooding rains.
I love her far horizons,
I love her jewel-sea,
Her beauty and her terror –
The wide brown land for me!
aus: My Country, Dorothea Mackellar
Besonders intensiv rot erscheint der eindrucksvolle Monolith im Licht der untergehenden Sonne, da bei niedrigem Sonnenstand kurzwelliges Licht nicht bis zur Erdoberfläche durchdringen kann, wodurch die Färbung der Felsen bei Morgen-und Abendröte zusätzlich betont wird und zu leuchten beginnt. Es ist und bleibt ein beeindruckendes Naturschauspiel, wenn der 600 Millionen Jahre alte magische Berg je nach Tageszeit und Lichteinfall seine Farben wechselt – von warmem Rot, Orange und Braun bis zu schillerndem Violett. Rot, röter, am rötesten…Ein Stein mit 1.000 Ges(ch)ichte(r)n.
Der Uluru wird in zwei mythische Hälften geteilt, die Sonnenaufgangsseite (Djindalagul) und die Sonnenuntergangsseite (Wumbuluru).
Kurz nach meiner Rückkehr sah ich in einer Marina Abramovic Ausstellung ein Video von ihr: Me at the top of Uluru, Australian Outback, 1979
Der indigene Lifestyle inspirierte sie und passte sehr zu ihrem nomadischen ART VITAL Künstlerleben. #VanLife
Ich war noch nicht überall, aber es steht auf meiner Liste…
Über Bruce Chatwin lernte ich die Traumpfade vor 30 Jahren kennen. Dort zu sein war sehr bereichernd.
Mein Totemtier ist der Bär.