45°52′ südliche Breite, 170°30′ östliche Länge
Dunedin ist die anglisierte Form des gälischen Namens Dùn Èideann für die schottische Stadt Edinburgh und bedeutet „Festung am Hügelhang“.
Dunedin auf Māori Ōtepoti, um noch mehr Sprachverwirrung zu stiften, ist die zweitgrößte Stadt der Südinsel Neuseelands. Hier fliessen das Kulturerbe der Māori und die viktorianische Architektur schottischer Einwanderer zusammen.
1848 kamen die ersten 347 schottischen Siedler auf zwei Schiffen (die 100 Tage für die Überfahrt benötigten im Gegensatz zu einem Tag Flug heute) hier an und gründeten New Edinburgh. 12.000 Miles away from home! In Schottland gab es damals einen starken Drang, im „gelobten Land“ etwas Neues aufzubauen um wirtschaftlich erfolgreicher und freier leben zu können.
Schottischen Spuren begegne ich auf Schritt und Tritt – über allem thront die bronzene Robert Burns Statue, direkt vor einer der viktorianischen Kirchen. Er ist Schottlands Nationaldichter.
1861 ging der Goldrausch auf der angrenzenden Otago Halbinsel los. Im August schürften dort bereits über 2000 Goldsucher. Da sie alle über Dunedin anreisen mussten, entwickelte sich die Stadt schlagartig zur Boom Town. Menschen kamen aus allen Teilen der Welt, in den folgenden sechs Jahren allein aus Australien über 50.000.
Dunedin wurde zum wichtigsten Handelsplatz Neuseelands und Ankunfts-, Abreise- und Aufenthaltsort für die vielen Reisenden.
Die alte Otago Central Railway fährt noch heute, wenn auch vornehmlich als Touristenattraktion. Der Bahnsteig ist mit 450 m einer der längsten des Landes.
1906 wurde ein großer neuer Bahnhof im flämischen Renaissance Backstein-Stil erbaut. Er ist das wohl am meisten fotografierte historische Gebäude Neuseelands und das will ich euch nicht vorenthalten… weder von außen noch von innen.
Über 725.760 Porzellan-Fliesen sind in den Gängen und im großen Hauptsaal verbaut. Sie zeigen Bilder von Eisenbahnen, Rädern, Signalen, Lokomotiven und über den einstigen Ticketschaltern in großen Lettern NZR – das Kürzel für New Zealand Railways.
Heute ist Dunedin mit 120.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Neuseelands und träumt noch etwas vom früheren Ansturm. Die Stadtentwicklung war diesem jedoch damals nicht so recht gewachsen. Viele Menschen lebten sehr beengt oder sogar in Zelten. Heute würde man es Arrival City nennen, wie Offenbach die Stadt in der ich lebe.
Oder First City – City of Firsts wie in der Hall of History im Otago Settlers Museum, wo in einer ständigen Ausstellung, das Leben der europäischen Siedler in Dunedin und der Halbinsel Otago darstellt wird.
Besonders beeindruckt hat mich die Smith Gallery – Bildergalerie der Siedler der „ersten Stunde“. Jedes Porträt eine Geschichte von Aufbruch und Neuanfang.
It is a dirty, muddy city with the worst-made streets …“ So ziemlich zeitgleich wurde, in der Nähe auf einem der Hügel der Otago Peninsula, Larnach Castle, Neuseelands einziges Schloß, oder eher im Diminutiv: Schlößchen, erbaut.
Ein Castle mit Blick auf Pazifik – vertraut und exotisch zugleich.
Das Schloss war ein Geschenk des Politikers und Handelsbaron William Larnach an seine Frau. Erbaut wurde das Grundgerüst drei Jahre lang von über 200 Arbeitern. Nach Fertigstellung wurde das Scotch Baronial Bauwerk als eines der elegantesten und beeindruckendsten Privathäuser Neuseelands gerühmt.
Dieser historische Architekturstil, der sich im 19. Jh in Schottland entwickelte, war die schottische Variante der damals in ganz Europa verbreiteten Neogotik. Merkmale des Stils sind große Herrenhäuser und Schlösser auf dem Lande, die im Inneren dem technischen Standard und Komfortanspruch des 19. Jh entsprachen, während ihr Äußeres den Eindruck eines Tower Houses aus dem 16./17. Jh vermittelte. Die Sehnsucht nach (rekonstruierter) Geschichte ist demnach keine Erfindung der Jetztzeit…
Die verglaste Veranda mit gusseisernen Trägern ist typisch für die viktorianische Zeit, die sowohl in Neuseeland als auch in Australien noch immer architektonisch omnipräsent ist. Als Viktorianisches Zeitalter wird meist der lange Zeitabschnitt der Regierung Königin Victorias von 1837 bis 1901 bezeichnet. God save the Queen!
Zwölf Jahre dauerte es bis auch die Inneneinrichtung fertiggestellt war. Marmor aus Italien, Stein aus Schottland, venezianisches Glas, exotische Hölzer – you name it. Eigens aus Europa geholte Kunsthandwerker zeigten, dass hier nicht irgendein Haus entstehen sollte.
Das Herrenzimmer ist in dominantem Rot gehalten, der Salon der Damen in sanftem Lindgrün. Zu viktorianischen Zeiten war es Sitte, dass sich nach dem Dinner die Damen und Herren trennten.
Der Mittelturm bietet, 320 Meter über dem Meeresspiegel, einen beeindruckenden Rundumblick über den Pazifischen Ozean und die Halbinsel selbst.
Das Anwesen wechselte noch mehrmals den Besitzer, bis schließlich 1967 die Familie Barker das mittlerweile verfallene Anwesen kaufte und mit viel Liebe für Details restaurierte.
Dornröschen lässt grüßen…
Es leben die (pazifischen) Highlands!
Abends genehmige ich mir in der Bordbar noch einen rauchigen Whiskey: Slàinte Mhath (Prost auf Gälisch). Trinke auf die mutigen ersten schottischen Einwanderer und ihren Lieblingspoet: Burns. Bis heute wird er in seiner Heimat sehr verehrt – am 25. Januar findet alljährlich die Burns Night statt, wo in Burns Suppers seine Gedichte feierlich vorgelesen werden.
„My heart´s in the Highlands, my heart is not here“
2025 bin ich dabei!
Farewell to the Highlands, farewell to the North,
The birth-place of Valour, the country of Worth;
Wherever I wander, wherever I rove,
The hills of the Highlands for ever I love.