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Das „Siegel Salomons“ besteht aus zwei ineinander verwobenen gleichseitigen Dreiecken. Daraus entsteht ein, oft auch als Hexagramm bezeichneter, Sechsstern: der Davidstern. Im Judentum eine symbolische Darstellung der Beziehung zwischen Menschen und Gott. Das nach unten weisende Dreieck bedeutet: Der Mensch hat sein Leben von Gott erhalten. Das nach oben weisende: der Mensch wird zu Gott zurückkehren.

© Peter Oliver Wolff / NONOT

Dieses und noch mehr habe ich erfahren, als ich kürzlich an einer Führung in der von 1908 bis 1910 erbauten Westend-Synagoge in Frankfurt teilnahm. Als einzige von ehemals vier großen Synagogen überstand sie schwer beschädigt die Novemberprogrome 1938 sowie die Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges.1950 wurde sie nach provisorischer Renovierung wiedereingeweiht und von 1989 bis 1994 originalgetreu restauriert.

Nach Aufhebung des Ghettozwangs 1806 verließen die Wohlhabenden unter den Frankfurter Juden die ehemalige Judengasse mit ihren beengten, unhygienischen Wohnverhältnissen in der Altstadt. Ab etwa 1860 zogen viele, die sich dem liberalen Bürgertum zurechneten, ins neu entstandene Westend und benötigten dort eine repräsentative Synagoge.

Die Pläne zu dem Jugendstilbau mit assyrisch-ägyptischen Anklängen stammten von dem Architekten Franz Roeckle, einem späteren NSDAP-Mitglied. Sie war die erste Synagoge außerhalb der historischen Stadtmauern.

Am vergangenen Freitag war Assara beTevet, der 10. im Tevet (עשרה בטבת). Ein „kleiner“ Fastentag. Er fällt entweder auf den siebten oder achten Tag nach dem Abschluss von Chanukka. Der 10. Tevet erinnert an den Beginn der Belagerung Jerusalems durch König Nebukadnezar von Babylonien im Jahr 587 v. Chr. Er legte einen Ring um Jerusalem, was letztlich zur Zerstörung von Salomos Tempels und Babyloniens Eroberung des Königreichs und zur Verbannung des jüdischen Volkes führte.

Der 10. Tevet wurde auch zum Andenken an die Opfer der Massenvernichtungen während der Shoah festgelegt, deren Todestag unbekannt ist. An diesem Tag zündet man ein Gedächtnislicht an, spricht das Kaddisch Heiligungsgebet und studiert Abschnitte über das Erheben der Seelen. Das nach oben weisende Dreieck…

In Frankfurt lebten bei Kriegsende noch etwa 160 Juden. Heute ist die jüdische Gemeinde mit 7.000 Mitgliedern wieder die zweitgrößte in Deutschland (nach Berlin). Im Jahr 1933 lebten etwa 28.000 Juden in Frankfurt.

Die Führung leitete Fischel Ajnwojner, der „Hausherr der Synagoge“. Er forderte uns gleich zu Anfang auf viele Fragen zu stellen, denn „im Jiddischen sind Fragen wichtiger als Antworten“ und wo zwei Juden sind gibt es mindestens drei Meinungen…So habe ich noch einiges für mich Neues über jüdische Riten und Regeln gelernt.

Beispielsweise ist die Trennung von Männern (im Hauptraum der Synagoge) und Frauen (auf der Empore oder hinter einem ebenerdigen Gazevorhang) begründet durch ihre „Unreinheit“ während der Menstruation. Nidah ist die hebräische Bezeichnung dafür die wörtlich übersetzt, Abgrenzung bedeutet. Abgrenzung von rituell Unreinem und Reinem.

Traditionell wurden aber in allen Weltreligionen Frauen während der Periode auf der einen Seite von alltäglichen Pflichten entbunden, also geschützt und gleichzeitig wurde ihnen verboten Rituale durchzuführen, Tempel oder Moscheen zu betreten, zu beten oder religiöse Ämter auszuführen, was wiederum den Schutz des Heiligen bedeutete.

GETTY IMAGES / THE WASHINGTON POST

Im orthodoxen Judentum müssen sich Frauen nach der Menstruation im sogenannten Mikwe-Bad reinigen.

Anyhow – ab einem Alter von 12 sind alle Mädchen in der Synagoge im Frauenbereich und dort bleiben sie dann auch bis ins hohe Alter. Denn es wäre etwas seltsam die Frauen im Gebetsraum zu fragen, ob sie bereits in der Menopause sind – so nach dem Motto: Blutest du noch oder spielst du schon Golf…? Generell ist eine Frauenempore aber schon recht „fortschrittlich“, denn vor den liberalen Reformen im 19. Jh hielten sich die Frauen in einem separaten Raum auf.

Blut an sich gilt bei den Juden aber als heilig und Sitz der Seele. Rot ist die Farbe des Blutes und des Feuers. Das hebräische Wort für Rot, adom, lässt sich von derselben Wurzel ableiten wie »Adam« (Mensch) und »Dam« (Blut).

Unsere Gruppe tat sichnicht nur mit dem Geschlechterumgang schwer sondern insbesondere mit den Beschneidungsregeln, von den koscheren jüdischen Speisevorschriften ganz zu schweigen. Speziell um die Schmerzempfindlichkeit der Baby Boys entbrannten heftige Diskussionen. Fischel blieb cool und meinte zu einem empörten christlichem Chirurgen – die Juden würden das schon seit 4.000 Jahren machen und hätten damit ausreichend Erfahrung gesammelt und keine frühkindlichen Traumata. Punkt!

Lampe eines Schabbat-Fahrstuhls 

Erhitzt wurde auch über den Sabbat diskutiert. Fromme Juden dürfen am Samstag nicht arbeiten. Da Kochen und Feuermachen in biblischer Zeit Arbeit bedeutete, dürfen die Gläubigen am Sabbat weder kochen noch das Licht anschalten, keine elektrischen Geräte benutzen und nicht Auto fahren, gleichwohl in die Straßenbahn oder den Sabbatlift einsteigen. Eine eigens konfigurierte Aufzuganlage, die am Sabbat ohne Betätigung elektrischer Schalter benutzt werden kann. Im Schabbat-Modus fährt der Aufzug ohne Unterbrechung, unabhängig von Beförderungswünschen auf und ab und bleibt bei der Auf- und Abwärtsfahrt in jedem Stockwerk stehen, öffnet und schließt die Türen und fährt anschließend zum nächsten Stockwerk.

Don’t break the fast, break the cookie…wie meine indische Nanny immer zu sagen pflegte. Hinduismus und Judentum haben übrigens viele Gemeinsamkeiten was „rules and regulations“ betrifft.

Als Highlight öffnete Fischel den Tora-Schrein und wir konnten 10 der kostbaren Rollen bestaunen. Die Tora besteht aus den fünf Büchern Moses, in hebräischen Buchstaben auf handgefertigtem Pergament aus der Haut koscherer Tiere geschrieben, wofür der Schreiber ca. 2 Jahre benötigt.

Eine der Tora Rollen war von den Angehörigen des durch das Attentat am 07.10.2023 umgekommenen Kibuuzuim Benni Weiss gestiftet. Sein Todesdatum ist blau aufgestickt.

Am Ende besichtigten wir noch den früheren Hochzeitsraum, den heutigen Gebetsraum der Tagessynagoge.

Eine der letzten Fragen war warum im Judentum Jesus nicht als Sohn Gottes gilt? Weil er (auch) Mensch war. Es sieht in ihm auch nicht den Messias, da er nicht die endgültige Verwandlung der Welt gebracht habe, die die Juden nach biblischer Prophetie vom Messias erwarten. Sie warten weiter geduldig und denken wie Fischel sagt: Lieber Gott komm mal runter und schick uns nicht deinen Junior! Nach jüdischer Zeitrechnung dauert es aber nicht mehr allzulange. 2025 = 5785 und im Talmud wird versprochen, dass der Messias bis zum Jahr 6000 kommen wird – Halleluja!

Bis zum Beginn des messianischen Zeitalters gibt es allerdings noch viele Hindernisse zu überwinden…

Ich fragte, ob der Krieg ein Thema in der Gemeinde sei? Ja! – war die eindeutige Antwort, zweimal am Tag würde hier für den Frieden in Israel gebetet.

Könnte natürlich noch ausgeweitet werden – Gebet für den Frieden in Nah-Ost…Gebet für den Frieden in der Welt…Das Ende des sündigen Blutvergießens!

Die Sehnsucht nach dem Friedensreich. In messianischer Zeit steht geschrieben werden die Menschen in der Lage sein, alles Irdische, Materielle wieder vollständig mit dem göttlichen Geist zu verbinden. Der wiederaufgebaute Tempel wird das das Symbol für diese Verschmelzung von Physischem und Geistigem sein. Wie das Siegel Salomons.

Shalom!!!

Shalom bedeutet u.a. Sicherheit und Frieden. Der Gruß hat eine Entsprechung im arabischen Salam

Nach dem Synagogenbesuch fasteten wir nicht, sondern sind noch in kleiner Runde zum Dinner. Eine Person meinte dabei unser Führer sei so ein echter Schlemihl gewesen. Alltagsantisemitismus im liberalen Bürgertum.

Wer mag kann noch über die Tempelsynagoge in Hamburg lesen: https://topophilia.world/wp-admin/post.php?post=2675&action=edit



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