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53°87′ nördliche Breite, 13°92′ östliche Länge

Mecklenburg Vorpommern im Herbst – im Rahmen meines Wochenendtrips unternahm ich auch eine Ausfahrt nach Usedom, in der Pommerschen Bucht der südlichen Ostsee gelegene Insel, die größtenteils zu Deutschland und zu einem kleinen Teil zu Polen gehört.

Die erste Impression war ein weiträumiges Vogelhabitat auf morbide im Sumpf versunkenen Baumstämmen. Das Gebiet, das früher einmal aus Wiesen und Weiden bestand, ist nach einem Deichbruch in den 1990er-Jahren zum Feuchtbiotop geworden. “Es ist ein Blick in die Zukunft. Jetzt sieht es hier noch aus wie ein großer See, aus dem Wasserpflanzen ragen, … weiter hinten stehen kahle Birken- und Kiefernwälder in den Fluten … es entsteht ein neuer Lebensraum“, sagt der Greifswalder Biologie Professor Succow.

Usedom ist eine grüne Insel…

Eine Fahrt durch ostdeutsche Lindenalleen scheint immer wie eine Zeitreise in ferne Vorkriegsjahre, so auch hier in Pommern. Die Melodie eines alten Volksliedes taucht unvermittelt in mir auf, beginne zu summen:

Maykäfer, flieg!
Der Vater ist im Krieg.
Die Mutter ist im Pommerland.
Pommerland ist abgebrandt.

Gelegentlich wird ein Zusammenhang mit dem Wiegenlied und den Verwüstungen Pommerns im Dreißigjährigen Krieg hergestellt.

Ganz und gar friedlich wirkt an diesem Herbsttag die fast schon menschenleere, etwas verlassene Kaiserbäder-pleinair. Allen voran das Seebad Ahlbeck mit der ältesten Seebrücke Deutschlands, oben rechts im Bild.

Mönch am Meer, Caspar David Friedrich, Alte Nationalgalerie Berlin

Unten im Bild „Mönch am Meer“ – entstanden von 1808 bis 1810. Es war mit „Abtei im Eichwald“, siehe HISTORIC ROMANTIC DARK – Klosterruine Eldena im Herbst – von Anbeginn als Paar gedacht, selbst die vorgrundierte Leinwand für die beiden gleich großen (110,4×171 cm) Gemälde hatte Friedrich zusammen gekauft. Die Gemälde wurden 1810 auf der Berliner Akademieausstellung gezeigt und vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III erworben, was dem Maler den Durchbruch brachte.
Der „Mönch am Meer“ bildet eine kahle Meeresküste ab, ein Mann in Mönchskutte schaut auf das Meer hinaus, uferlos. Es ist ein dunkler, bewölkter Tag, Abend oder gar früher Morgen? Ein eiskalter Wind scheint in der Luft zu liegen. Zieht ein Sturm auf? Wie auch im Abteigemälde geht es um: Einsamkeit, Vergänglichkeit, Leben und Tod. Wenn man es betrachtet ist es, als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären, empfand Heinrich von Kleist. Mit seiner radikalen, fast schon abstrakten Bildgestalt einer Landschaft gilt es als „Inbegriff der modernen Malerei“, „Altarbild des modernen Menschen“ und diente manch folgendem Landschaftsmaler als Inspiration, auch einem meiner Lieblings Gegenwartskünstler: Gerhard Richter.

Bevor wir die Insel verlassen trinken wir in einem Bootshaus am Achterwasser noch ein Störtebecker Baltik-Lager aus Stralsund. Stark und süffig.

Mit durchschnittlich 1906 Sonnenstunden im Jahr gilt Usedom als sonnenreichste Gegend Deutschlands (1550 Sonnenstunden) und der Ostsee, weshalb sie auch Sonneninsel genannt wird. Mitte Oktober war es kalt und schattig – eine Herbsttristesse lag über den sanften, nur wenige Meter hohen, Baltic Hills der weißen Insel. Die Stadien des Sonnenlichts beeinflussen die Emotionen der Menschen. Ich mache etwas antidepressive Randlichtaufhellung und genieße die Stille am schilfumsäumten Achterwasser.

Das Achterwasser ist eine Lagune des in die Ostsee mündenden Peenestroms. Es ragt so weit in die Insel hinein, dass es teilweise nur noch durch eine schmale Nehrung von der offenen Ostsee getrennt ist. Bei Sturmhochwassern wurde diese zeitweise überspült. Auf Karten aus dem Mittelalter findet sich dafür der Name „Lassansche Wasser“, die Bezeichnung bezog sich auf das Ackerbürgerstädtchen Lassan, das damals als einzige Stadt am Achterwasser Fischereirechte besaß.

https://www.youtube.com/embed/v-YzdvmD2aQ

Komm in mein Boot
Ein Sturm kommt auf und es wird Nacht
Wo willst du hin?
So ganz allein treibst du davon
Wer hält deine Hand
Wenn es dich nach unten zieht? Wo willst du hin?
So uferlos die kalte See
Komm in mein Boot
Der Herbstwind hält die Segel straff Jetzt stehst du da an der Laterne
Mit Tränen im Gesicht
Das Tageslicht fällt auf die Seite
Der Herbstwind fegt die Straße leer Jetzt stehst du da an der Laterne
Mit Tränen im Gesicht

Das Abendlicht verjagt die Schatten
Die Zeit steht still und es wird Herbst Komm in mein Boot
Die Sehnsucht wird der Steuermann

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