51°44′ nördliche Breite, 14° 20′ östliche Länge
Ich blogge weiter wo mein (vor)letzter Post aufgehört hat – im Park von Cergy – der mit obiger Seepyramide auf Fürst Pücklers Grab im See des Park Branitz referenziert. Und um dieses Gartenreich geht es heute.
Mein Besuch beginnt im Schloss Branitz, genauer gesagt im historischen Arbeitszimmer des exzentrischen Hermann Fürst von Pückler-Muskau, wegen seiner Parkomania, auch der Grüne Fürst genannt. Er war Preußens einziger Dandy, ein kosmopoliter Europäer, changierend zwischen Absolutismus und Demokratie, „Hochmütig durch Geburt und liberal durch Nachdenken und Urteil“ , abenteuerlicher Orientreisender, obsessiver Erotomane, Genießer alles Schönen, heute den meisten nur noch bekannt als Namensgeber einer Schoko, Erdbeere, Vanille Eisspezialität.
In den Biographien über das abenteuerliche Leben des Fürsten ist zu erfahren, das er ein luxusverwöhnter, exzentrischer Snob war, der Duelle focht, mehr Liebschaften hatte als Casanova, was ihm Neid und Bewunderung zugleich einbrachte…“ein Weltreisender, der zu Pferd halb Afrika durchquerte, von höchstem Adel, aber republikanisch gesinnt, begabter Autor, genialer Gartenarchitekt: Eine Persönlichkeit wie den Fürsten Pückler-Muskau hat es im Deutschland des 19.Jh nicht noch einmal gegeben.“ Und ich wage zu behaupten auch im 21.Jh nicht!
Fassen wir seine Vita zusammen – er hatte vor allem zwei Vorlieben: Die Architektur von Parklandschaften und seinen Erotisme, denen sich alles und alle unterzuordnen hatten. Auch Lucie von Hardenberg, die er 1817 heiratete – und die sich 1826 auf ihren ausdrücklichen Wunsch scheiden ließ. Nicht wegen seinen Eskapaden, sondern seiner Geldnöte. Die Gräfin wusste, dass sie als neun Jahre ältere Frau seiner „Vielweiberei“ ausser der gemeinsamen Gartenleidenschaft nichts entgegen zu setzen hatte, doch wollte sie ihre Toleranz zumindest mit einem Leben in Reichtum belohnt wissen. So schickte sie ihn auf den damals in blaublütigen Kreisen bekannten Londoner Hochzeitsmarkt, wo die jungen und vor allem reichen Schönheiten der Fürsten- und Königshäuser Europas angeboten wurden. Der grüne Fürst kehrte jedoch ohne einer dieser enttäuscht zurück. „Selbst ist die Frau“ – seine treue Lucie hatte inzwischen anderweitig Geld aufgetrieben. Pückler bevorzugte derweil viel jüngere Frauen, so wie die 14 jährige, auf einem Sklavenmarkt in Kairo gekaufte Machbuba, die er als seine Mädchen-Mätresse zu einer „freien Preußin“ machte und nach ausgiebigen Reisen nach Branitz brachte um in einer ménage à trois mit ihr und Lucie zu leben. Dort lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage, jedoch wieder zweisam, da Machbuba bereits nach drei Jahren im zarten Alter von sweet seventeen starb. PC geht anders…
Doch trotz aller „großweltlichen Zerstreuung“ war sein Sinn vorzugsweise auf die Arbeit im Grünen, im Freien, im Park gerichtet. Wo einst karge Sandwüste herrschte schuf Pückler ab 1846 sein Meisterwerk. Eine Oase mit Schloss, Pleasureground und Pyramiden. Das flache, baumlose Gelände stellte ihn vor große Herausforderungen, doch der „Erdbändiger“ konnte im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzen – er ließ Hügel, Berge und Pyramiden aufschütten, tausende Bäume anpflanzen, leitete Flüsse um und schuf malerische Brücken und Blickachsen, die ihm erlaubten sein Gartenreich das sich bis in den Außenpark des Gut Branitz, welches er als Ornamental Farm ausschmückte, ausdehnte, stolz zu überblicken.
Mit seinen fein geschwungenen Erdmodellierungen, elegant geführten Seen- und Wasserläufen und Gehölzkompositionen gilt der Branitzer Park als der letzte bedeutende Englische Landschaftspark auf dem Kontinent. Neben Lenné und von Sckell zählt Fürst Pückler zu den bekanntesten deutschen Gartengestaltern des 19. Jahrhunderts.
Höhepunkt des exaltierten Ensembles von Park und Schloss sind die Pyramiden des Innenparks, der das Schloss mit dem Pleasureground umschliesst. Die Pyramiden sind eine Reminiszenz an Pücklers sechsjährige! Orientreise von 1834-1840, wobei er sie anders als in Ägypten nicht aus Stein bauen ließ, sondern aus Erde, die er begrünte.
„Soviel ist gewiß, daß, wenn es mir hier gelingt, eine ästhetische Natur hervorzuzaubern, dies mein Meisterstück sein wird, wie auch mein letztes Stück, welches zur Aufführung kommt.“ Pückler über den Branitzer Park 1847
Letztes Stück und letzte Ruhestätte – in der größeren Pyramide, die inmitten eines Sees steht, wurde Fürst Pückler 1871 85-jährig begraben.
Die dreidimensionalen Gartenbilder die uns das Fürstenpaar hinterließ und ihre faszinierenden Spieglungen im See sind unsterblich. Eine idealisierte Natur in der Kunst und Natur in vollständiger Harmonie vereint sind.
Genau wie Pückler und Lucie, die seit 1884 nun auch im mit wildem Wein überrankten Tumulus (Grabhügel) neben ihm ruht. Auf ewig vereint. Ursprünglich sollte ihr die zwölfstufige Landpyramide als Grabstätte dienen, doch da sie vor deren Fertigstellung starb wurde sie zunächst auf dem alten Branitzer Dorffriedhof beigesetzt und 30 Jahre später umgebettet.
Fürst Pückler wollte noch mehr solcher Paradiese schaffen und wünschte sich „nach seinem Tode auf einem schöneren Weltkörper versetzt zu werden, wo er auf‘ s neue als Kunstgärtner wirken könne.“
„Kunst ist das Höchste und Edelste im Leben, denn es ist Schaffen zum Nutzen der Menschheit. Nach Kräften habe ich dies mein langes Leben hindurch im Reiche der Natur geübt.“ Pücklers letzter Tagebucheintrag
Seine letzten Worte bevor er in der Nacht vom 4. zum 5. Februar 1871 in den Tausendundeine Nacht (T)Räumen seines Schlosses starb: „Man öffne mir den Weg in den Tumulus“. Eigentlich sollte sein Leichnam nach antiker Sitte mit einem Nachen über den See gebracht werden doch der See war wie jetzt im Winter zugefroren…
Als ikonisches Symbol der Weltoffenheit des Fürsten sind die Pyramiden heute eines der bekanntesten landmarks der Lausitz.
Welcome to the pleasure ground