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Richard Wagner Festspielhaus 2016 / Markus Gögelein • CC BY-SA 4.0

 Als Grüner Hügel wird die Anhöhe in Bayreuth bezeichnet, auf der zwischen 1872 und 1875 Richard Wagner gemeinsam mit dem Architekten Otto Brückwald das Festspielhaus zur Aufführung seiner Werke errichtete. Das Festspielhaus, wo Wagner als Komponist, Textdichter, Dramaturg und Intendant seine Vorstellungen vom Gesamtkunstwerk verwirklichen wollte, sollte abseits der bereits im 19. Jahrhundert trubeligen Metropolen sein. Ein Ort ohne Ablenkung in the middle of nowhere. Für die Finanzierung des Festspielhauses wurde sogar das Fundraising erfunden. Die Käufer erhielten einen Sitzplatz für drei zyklische Aufführungen des Rings. Den fehlenden Rest legte König Ludwig II. als Darlehen aus eigener Schatulle noch hinzu.

Gestern wurden das erste Mal seit 70 Jahren die Bayreuther Festspiele abgesagt, da heute am 1. April die Proben für das Festival, das es seit 1876 gibt, hätten anfangen müssen. Nein, das ist leider kein Aprilscherz, nur eine weitere Absage in einer nicht enden wollenden Folge von nicht mehr stattfindenden oder verschobenen kulturellen Ereignissen. Ein trauriger Tag für die Musikwelt.

Richard Wagner Festspielhaus um 1900 / Autor unbekannt • Public domain

Als ich gestern Abend davon in Igor Levit´s allabendlichem Livestream „No Fear“ hörte und er „Isoldes Liebestod“ in der Transkription von Liszt spielte kamen mir fast die Tränen (wohlwissend das in Anbetracht der Pandemie abgesagte Musikdramen nur ein kleines musikalisches Opfer sind). Ich glaube wir kennen alle gerade dieses changierende Gefühl zwischen fatalistisch abwartender fast demütiger (neuer) Bescheidenheit und der Sehnsucht nach besonderen hinaufstimmenden Momenten an besonderen Orten, wie für mich beispielsweise dem Grünen Hügel. Ein musikalischer Sehnsuchtsort. Der Name Grüner Hügel wurde übrigens abgeleitet von einem gleichnamigen Hügel in Zürich, auf dem die Villa Wesendonck steht. In deren unmittelbarer Nähe wohnte Wagner 1857 bis 58 und komponierte dort u.a Tristan und Isolde womit sich wieder ein Kreis schliesst. Leidenschaft und Rausch, Liebe und Tod, Eros und Thanatos, die unlebbare (?) Leidenschaft exzessiver Liebe. „Mild und leise“ beginnt Isolde die letzten Minuten des Liebesdramas, von Liszt für das Klavier meisterhaft in eine fast unhörbar verklingende Stille versetzt.

In dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall, in des Welt-Athems wehendem All,
ertrinken,
versinken,
unbewusst,
höchste Lust!
“ Libretto Ende 3.Akt Tristan und Isolde

Als „Wagnerianerin“ werde ich den jährlichen Gang zum Grünen Hügel vermissen. Er ist nicht nur ein topographischer Höhepunkt. „Es ist eine karmische Angelegenheit. Man ist dafür disponiert. Es öffnet sich eine ganze Welt, in der man sich selber wieder findet“. Armin Trösch, Antiquar aus Zürich

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