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54°90′ nördliche Breite, 8°30′ östliche Länge

Bei frühlingshaften Temperaturen schiebe ich heute an Biike, ein nordfriesisches Fest, welches das Ende des Winters einleitet, antizyklisch noch einen knackigen Sylter Winterquickie ein. Auf den Inseln diente das Biikefeuer übrigens neben der Vertreibung von bösen Geistern auch zur Verabschiedung der Walfänger. Die Frauen zündeten die Feuer entlang des Strandes an, um ihren Männern noch lange ein sicheres Geleit auf See zu geben. Einer Sylter Legende nach galt dieses Signal aber auch den dänischen Männern auf dem Festland und sollte ihnen zeigen, dass die Inselfrauen nun wieder allein auf dem Hof waren und Hilfe bei der Arbeit und „anderen Dingen“ benötigten.

Mitten im Tief Tristan (in ungeraden Jahren haben die Tiefs in Deutschland männliche Namen) rodelten Kinder in den noch nicht vom Wind verwehten Schneeresten bei arktischem Eiswetter mit Sturmböen von ONO 45 km/h die Westerländer Dünen immer noch einmal hinab – long no see. Ich lief vom winterlichen Weltenwind durchweht am Strand entlang, nichts, das ihn treibt, nichts das ihn hält, den Weltenwind (Robert Gernhardt). Lies mich treiben, eingeschneit auf der Insel, für einige Tage abgeschnitten vom Rest der Welt.

Wenn ich ganz ehrlich bin, als ich den Hindenburgdamm in einem der letzten noch fahrenden Züge überquerte und das selten noch eingefrorene Wattenmeer bestaunte, hoffte die Wetterhexe in mir insgeheim sogar darauf.

Falls ihr interessiert seid das Wetter zu benennen – seit 2002 kann ein „Wetterpate“ den Namen des jeweiligen Tiefs oder Hochs bestimmen. Er erhält Wetterkarten und die „Lebensgeschichte“ des Druckgebildes. Patenschaften für Tiefdruckgebiete sind günstiger (240 Euro) weil sie kurzlebiger sind, und der Ruf eines Hochs besser ist (360 Euro). Wie wäre es 2022 mit Isolde für ein eisiges Tief ?

snow and sea/white and blue – a dream comes true.

Sylt im Winter, alte Postkarte von Flugaufnahme

Um es klar und präzise auf den Punkt zu bringen – ich war gestrandet im Lockdown im Lockdown: Flockdown.

Das, im wahrsten Sinne des Wortes überschaubare, Mikrouniversum von Inseln erzeugt bei mir immer ein Gefühl von aufatmen, von ankommen, was durch das Winterwetter bedingte nicht mehr von hier wegkommen noch grandios gesteigert wurde und eine weiche Welle von Ent-spannung in mir auslöste. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein: Inner peace.

In den letzten Wintern hatten wir schon fast vergessen, welche Transformation die klirrend kalte Jahreszeit bringt: Bäume verlieren ihre Blätter, Gräser welken, die Farben verblassen und finally legt sich Schnee über die Landschaft. Monochrom, reduziert, menschliche Spuren verschwinden. Ruhe breitet sich aus.

Ohne Ablenkung wird der Blick frei auf einen Baum, oder wie hier auf das perfekte Porträt des Kampener Leuchtturmes bei Tag und bei Nacht.

Leider herrschte so ein starker Wind das der Schnee auf dem einsamen Strand schneller verwehte als fiel.

Mein Herz sieht an dem Himmel gemalt sein eig’nes Bild – Es ist nichts als der Winter, Der Winter kalt und wild ! „Stürmischer Morgen“ aus Schuberts Winterreise.

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