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O sole mio...“ Vor einigen Tagen – Businesslunch bei einem Italiener am Westhafen in Frankfurt – unterhalte ich mich mit einem Geschäftspartner über Architektur, Projekte die wieder Fahrt aufnehmen, und inspiriert von der heissdampfenden Trüffelpasta auch über Italien, den Sommer 2020, geplante und ausgefallene Reisen, so eben das Übliche momentan. Da sagte er zu recht „Hier am Wasser fühlt man sich fast wie in Venedig…“ und believe me or not – just in dieser Sekunde ruderte ein Gondoliere im maritimen Ringelshirt am Main entlang an uns vorbei – mitten am helllichten Tag in Frankfurt, erstmal Augen reiben, wir haben doch nur Wasser und noch keinen Wein getrunken.

In Venedig gibt es übrigens eine Städtische Kleiderordnung für die Gondolieri (Regolamento Comunale per il Servizio Pubblico di Gondola) die besagt, „dass in der Sommersaison: lange Hosen ohne seitliche Taschen in dunkelblauer oder schwarzer Farbe, weißes Leinenhemd nach Seemannsart, gestreiftes Hemd [„maglietta“ – t-shirt, sweatshirt] mit horizontalen roten oder blauen Streifen von 2 bis 2,5 cm Breite, Strohhut mit Band und Einfassung in der gleichen Farbe wie das Hemd; getragen werden muss“. Die kennt unser Ruderer angesichts seiner weissen Hose anscheinend aber nicht. Egal, die Gondel weckt Sehnsüchte.

Eine Gondola ist ein schmaler, venezianischer Bootstyp, der wahrscheinlich erstmals im 11 Jh. aufkam, von bis zu 11 m Länge und 1,5 m Breite mit den ikonisch aufgebogenen Enden. Die Bauformen waren und sind nicht völlig einheitlich und änderten sich im Laufe der Zeit. Ursprünglich gab es, wie im unten abgebildeten Canalleto Wimmelbildgemälde, Gondeln in allen möglichen Farben und die Adeligen überboten sich gegenseitig in der prachtvollen Ausstattung ihrer Boote. Um der ungezügelten Prunksucht Einhalt zu gebieten, erließ der Senat von Venedig 1562 das Aufwandgesetz, welches eine einheitliche schwarze Ausstattung für alle Gondeln – außer die der ausländischen Gesandten und auch zu Festen – vorschrieb. Wenn Gondeln Trauer tragen. Traditionell, so auch bei der kastanienbraunen Frankfurter Gondel, bestehen sie aus neun verschiedenen Hölzern, die nach Gewicht, Alter und Trockenheit ausgelesen sind und bestimmten Aufgaben dienen. Eichenholz verwendet man für Planken und Rippen, Kiefer für den Boden und das Vordeck, Lärche für die Seiten und das Hinterdeck, Nussbaum für den Sitz, die vordere Bank und die Riemengabel, Kirsche für die hintere Bank und für die schiefe Plattform, Tanne und Ulme für die Innenbretter, meine geliebte Linde für die Verzierung des Bugs, Buchenholz für die Fläche des Riemens. Der Bau einer solchen Gondel ist Schiffsarchitektur vom feinsten und dauert bis zu vier Jahre.

Im 16. Jahrhundert gab es mehr als 10.000 Gondeln in Venedig, heute nur noch etwa 500, einige davon leider nur noch aus schwarz lackiertem Sperrholz.

Canaletto: Der Bucintoro an der Mole am Himmelfahrtstag 1738

Ursprünglich nur als Gegengewicht zum Gondoliere, heute auch als Schmuck und Symbol für die Stadt Venedig trägt der Bootsbug am oberen Ende einen etwa 22 kg schweren kammartigen Metallbeschlag, den ferro di prua, der in der Form einer Fischermütze endet, welche die Dogen als Kopfbedeckung trugen. Darunter springen sechs Zacken hervor. Diese symbolisieren, die sechs Sestieri (Stadtteile): San Marco, Dorsoduro, San Polo, Cannaregio, Castello und Santa Croce. Der nach hinten gerichtete Zacken steht für die Guidecca. Kein Wunder das meine venezianische Wahlheimat Guidecca ist – ich muss immer etwas aus der Reihe tanzen…

An der Brücke stand
jüngst ich in brauner Nacht.
Fernher kam Gesang:
goldener Tropfen quoll´s
über die zitternde Fläche weg.
Gondeln, Lichter, Musik –
trunken schwamm´s in die Dämmerung hinaus.
..“ Friedrich Nietzsche

Eine der letzten Gondelwerften in Venedig

Weder dämmerig noch so erhaben romantisch war es mittags am Main, aber dennoch eine verheissungsvolle Impression für kommende Sommertage in der halbwegs menschenleeren Serenissima. Als Vorgeschmack empfehle ich nicht Nietzsche, sondern, passend zum pandemischen Sommer, „Tod in Venedig“ als Graphic Novel (in einer Adaption von Susanne Kuhlendahl). Von Aschenbach, der erfolgreiche Schriftsteller und Protagonist des Romans, geblendet von der Schönheit des Knaben Tadzio und der Lagunenstadt, verlässt trotz Warnungen die Lagunenstadt nicht, als eine gefährliche Seuche ausbricht. Please not again !

Szene aus der Graphic Novel

Und weil es so schön ist – auf die Nacht noch ein venezianisches Lullabye Gondellied: La biondina in gondoletta

Die kleine Blonde in der Gondel / Führte ich am Abend aus / Doch vor Wonne versank die Ärmste / Unversehens in tiefen Schlaf

Schlummernd lag sie mir im Arm / Versuchte wohl sie aufzuwecken / Doch das sanfte Gondelschaukeln/ Lullte gleich sie wieder ein.

Die Melodien der alten Gondel Liebeslieder passen sich dem sanften Rhythmus der Gondelbewegungen an und richten sich nicht nur an eine Frau, sondern auch an die Lagune, die man angemessen nur in einer Gondel erreichen sollte. Next time. Vielleicht bitte ich mal meinen Mann an die „Forcole“ (Rudergabeln), der wie der Frankfurter Gondoliere Salvatore, einst das Rudern in der Frankfurter Rudergesellschaft Germania erlernte.

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