46°61′ nördliche Breite, 11°16′ östliche Länge
Von Sommerhitze in Frühherbstfrische, vom Land wo die Zitronen blühn ins Land der Äpfel und Weintrauben. Ich beendete meine Italienreise im September so ganz a la Grand Tour langsam und lässig über den LAGO DI GARDA (Blog folgt noch) ins LA…LA land – Ladinien, doch aus Ladinien wurde Lana… Ich sollte überrascht werden, bekam einen Trip in ein „Land“ was auf keiner Landkarte zu finden ist und für eine Topophile wie mich spannend sein müsste, geschenkt. Bei der Recherche ist jedoch mein Bester im Netz etwas fehlgeleitet worden und buchte LAna statt LAdinien..300 statt 3000 Meter über Meereshöhe. Egal – auch schön – einem geschenkten Gaul schaut man ja bekanntlich nicht ins Maul.
Die ersten Siedlungen in Ladinien gehen zurück bis in die Bronzezeit. Das Ladinische ist eine rätoromanische Sprache, die auch noch in Teilen Graubündens und im Friaul gesprochen wird. Nachdem 15 v. Chr. die Römer diese alpine Region eroberten, übernahmen die Einheimischen deren Volkslatein, ohne dabei auf ihre eigene Sprache zu verzichten. Das Gebiet reichte im Norden von der Donau bis an den Gardasee im Süden, vom St. Gotthard-Pass im Westen bis nach Triest im Osten – die ladinische Sprache wurde aber dann zur Zeit der Völkerwanderung immer weiter zurückgedrängt. Heute sprechen es noch etwa 30.000 Menschen. „Die Welt treibt mitunter schon seltsame Blüten. Da gibt es arme und reiche Länder, große und kleine, miteinander verfeindete und miteinander befreundete, es gibt Entwicklungsländer und Hochtechnologieländer, es gibt Zwergstaaten und Fürstentümer, Inselstaaten, ja sogar den Vatikanstaat gibt es. Aber es gibt auch ein Land, das es gar nicht gibt. Es liegt mitten in Norditalien, ist umgeben von beeindruckenden, majestätischen Dolomitengipfeln, erstreckt sich über fünf Täler (1300 km2) dessen Bewohner über drei Provinzen verstreut leben..Dieses Land heißt Ladinien. Es ist kein offizieller Staat, doch pflegen die Ladiner ihre eigene, uralte Sprache, und ihre alpine Kultur. Die Ladiner sind Südtiroler und damit italienische Staatsbürger.(Seit 1919) Ihre Fahne hat die Farben blau (für den Himmel), weiß (für die schneebedeckten Berge) und grün (für die Wiesen)“. Eine Hommage an die einmalige Dolomitenlandschaft.
Doch zurück nach Lana. Typisch für diese Gegend rund um das Meraner Becken und seiner Seitentäler, sind seit vielen Jahrhunderten die (h)eiligen Wasser der Waalwege (von rätoromanisch aquäle „Wasserrinne“). Insgesamt gibt es im südlichen Tirol rund 250 solcher Lebensadern der Landwirtschaft. Der Marlinger Waalweg ist mit seinen 12 km der längste und bewässert von der Töll über Marling bis Lana rund 300 ha. Er führt durch felsiges Gelände, schattige Kastanienhaine, sonnige Obstwiesen und steile mit Reben bewachsene Hangterassen. Acqua & Vino. Oft waren es Mönche, die die Waale anlegten. Ich tagträume unter Obstbäumen, dem Murmeln und plätschern des Wassers lauschend.
Jahrhundertelang wurden die Felder und (Obst-)Wiesen mit dem Waalwasser knietief unter Wasser gesetzt, seit ca. 1930 werden damit nur noch die Beregnungsanlagen gespeist. Auch heute noch gibt es zwei Waaler, die sowohl die Waalbauten als auch den gleichmässigen Durchfluss kontrollieren.
Auf diesem fruchtbaren Boden stehen 60 Millionen Apfelbäume, aus denen bis zum Herbst sechs Milliarden Äpfel reifen: Südtirol ist der Obstgarten Europas. Dort blüht und gedeiht es in den Tälern, während auf den Bergen noch, oder wie jetzt, schon wieder, Schnee liegt. Da sich das Etschtal nach Süden öffnet, strömt fast immer warme Luft vom Mittelmeer ein. Fire and Ice – das Beste aus beiden Welten.
Einer der Milliarden Südtiroler Äpfel landete blutrot direkt vor meinen Augen photogen im Waal.
Doch zog es mich nach einer Weile vom Steig noch etwas höher hinauf zum Vigiljoch. Uralte, flechtenüberwucherte Fichten inmitten der „Schwarze Lacke“ genannte Moore säumen den roma(nt)ischen Aufstieg mit würzig harzigem Duft. Herbstzeitlose Waldfrische.
Die Entwicklung des Tourismus begann hier mit den ersten wohlsituierten Sommerfrischlern um 1850. Die Bergbauern vermieteten Zimmer mit Frühstück, um sich ein paar Groschen dazuzuverdienen, mit zunehmenden Tourismus, auch im Winter, schossen die ersten Hotels aus dem Boden. Heute hat der Gast die Qual der Wahl, von der Almhütte zur Nobelherberge, wie das sanft in die Landschaft eingefügte Vigilus Mountain Resort von Mattheo Thun. Eco statt ego.
Im Spättau wanderte ich beschwingt zurück ins Tal nach Lana, von wo aus es am nächsten Tag dann endgültig zurück nach Deutschland im Herbst ging.
Letzter Zwischenstopp – das Plessi Museum am Brennerpass, Grenze zwischen der germanischen und romanischen Welt. Dort befindet sich die Skulptur „Die Seele der Natur“ des venezianischen Künstlers Fabrizio Plessi.
Das Kunstwerk besteht aus drei Dreiecken, welche Tirol, Südtirol und Trentino symbolisieren sowie Bildschirmen, die ein Eintauchen ins rauschende Wasser mit dessen drei Zuständen, die für die drei Länder stehen simulieren: die Tiroler Gletscher, die Südtiroler Flüsse und die Trentiner Seen.
Goethe war auf seiner Grand Tour in Italy, wie auf diesem Gemälde von Cy Twombly zu lesen, ich beinahe in Ladinien. Dessen Exportschlager ist die in exotisch rätoromanischer Mundart singende Drei Maderl New Folk Band „Ganes“. Der Name geht auf Sagenfiguren der ladinischen Mythologie, hexenähnliche Wasserfeen, die die Menschen verzaubern wollen, zurück. Und das haben sie bei mir schon erreicht…
Crëps slauris, die bleichen Berge, erzählt die Geschichte der Mondprinzessin, die bei ihrem Geliebten auf der Erde bleiben kann, nachdem die Zwerge das Mondlicht über die schroffen Felsen der Dolomiten sponnten.
Bona sëra, bona net (ladinisch)- Buona sera, buona notte – Guten Abend, Gute Nacht