49°04′ nördliche Breite, 1°31′ östliche Länge
Heute geht´s um Blumen statt Beton (in Lost Places oder Banlieues) – genauer gesagt um Nympheas: Monets Seerosen. Die monumentalen 360° Wandmalereien im Pariser Musée de l’Orangerie zeigen die „jardin d’eau“ und spiegeln die intensive Auseinandersetzung des Künstlers mit seinem Gartenreich. Sie vermitteln die Illusion einer endlosen Wasserwelt ohne Horizont und Ufer und ziehen nicht nur mich in die Welt meditativer Träume.
Und schöner Erinnerungen an meinen Besuch in Giverny zur Rosenblüte im Frühsommer. Ein im wahrsten Sinne des Wortes malerischer Garten.
Monet ließ sich 1883 mit seiner Frau und acht Kindern im Alter von 43 als begnadeter Weltflüchtling in seinem von Rosen umrankten rosa verputzten Haus in Giverny in der Normandie nieder, und lebte weitere 43 Jahre an diesem Ort, der zu seinem Genius loci wurde.
Der Garten besteht übrigens aus zwei Teilen: einem symmetrisch angelegten eher bäuerlichen direkt vor seinem Haus liegenden „Land“garten namens Clos Normand mit überbordenden bunten Blumenbeeten, Obstbäumen und Kletterrosen. Monet mischte schlichte Gänseblümchen und Mohnblumen mit seltensten exotischen Sorten, Astern, Dahlien, (See)Rosen, kombinierte die Blüten nach Ihren Farben und liess sie frei wachsen. Ein wilder, sinnlicher Farbenrausch.
Und auf der anderen Strassenseite der japanisch inspirierte jardin d’eau, wo ich die meisten Impressionen sammelte, da ich sowohl Japan als auch Feuchtgebiete liebe.
Der Garten ist etwa ein Hektar groß, nichts im Vergleich zu den weitläufigen Landschaftsparks, die ich während meiner Ile de France Gartenreise sonst besichtigte, und hat an manchen Tagen mehr Besucher zu bieten als Blumen…
Wobei es derer nicht mangelt – „Mein ganzes Geld geht in meinen Garten“, sagte Monet von dem es hieß, dass er seinen Garten mit Blumen verwöhnte wie ein König seine Mätressen.
Die von Blauregen überwachsene japanische Holzbrücke, Trauerweiden und die berühmten Seerosen, die ich jetzt im Musée de l´Orangerie sah, wurden zu ikonischen Meisterwerken.
Der Maler hat sich seine eigenen Bilder geschaffen, ein Garten als zu bemalende Leinwand, als ein
inspirierender Ort der Kontemplation.
Insbesondere der japanische Bambushain mit seinen 50 Shades of Green und den sich im Wasser reflektierenden Seerosen. Diesen Spiegelungen gab sich Monet im Alter mehr hin als den „echten“ Blumen. Auf seinen Bildern entstand eine vom Licht und der Flüssigkeit des Wassers verklärte Welt.
Von Japonismus zeugt auch das hellblaue Zimmer in den „heiligen Hallen“ des Meisters. Monet hätte seine Seerosen nicht in so ungewohnter Aufsicht, flächig und dekorativ über die grossen Bildflächen verteilt, hätte er nicht leidenschaftlich japanische Holzschnitte gesammelt.
Das in sonniges Gelb getränkte Esszimmer hingegen erzählt von einem geselligen Haus mit ungezwungenen Tafelfreuden, wobei Monet einen sehr ritualisierten vom Licht bestimmten Tagesablauf hatte.
Kein Wunder, denn die Darstellung des Lichts als flüchtige Momentaufnahme atmosphärischer Szenerien wurde im Impressionismus zur malerischen Hauptaufgabe. Der Verzicht auf Schwarz und erdiges Braun ließ die Farbpalette aufhellen.
Farbe wurde als Träger des Lichts wiedergegeben, wovon ich mich in den unzähligen Replikas die in Monets einstigem Atelier dicht gereiht in Sankt Petersburger Hängung zu besichtigen sind, überzeugen konnte.
Ganz besonders beeindruckt hat mich als „Möchtegern“ Venezianerin eines seiner Canal Grande Impressionen sowie ein altes schwarz-weiß Photo was Claude Monet und seine Gemahlin beim Tauben füttern auf der Piazza San Marco zeigt. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
Noch ein letzter Blick aus seinem Schlafzimmer, indem er 1926 starb. Der Garten ist Monet – es scheint, als ob er jeder Zeit mit seiner Palette gleich um die Ecke kommen könnte…
The (Flower)show must go on…am Hintereingang des Gartens werden täglich frische Blumen angeliefert.
Das spätimpressionistische Werk Monets hat viele Ähnlichkeiten mit denen abstrakter Maler der Nachkriegszeit, insbesondere Mark Rothko. Beide malten nach dem Grauen des ersten, bzw. zweiten Weltkriegs keine Menschen mehr. Monet gibt Menschen zugunsten der Natur auf, Rothko entfernte sich von der figurativen hin zur abstrakten Kunst. Die japanischen Brücken sind häufige Motive in den Werken Monets und bilden eine Verbindung zu Rothko, der auf diese in seinen horizontalen Linien oft referenzierte wie ich in der Ausstellung Monet I Rothko in Giverny las.
Santé Monet!
Die Fotos vom Garten bringen die Farben des Sommers zurück in einen grauen kalten verregneten Novembertag. Grün statt Blues.