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Heute am „stillen Samstag“, letzter Tag der Karwoche, ist Halbzeit, zweiter Tag des österlichen Tridum Sacrum (lat. „heilige drei Tage“). Das ist in der christlichen Liturgie der Zeitraum in der heiligen Woche, der am Gründonnerstagabend mit der Messe vom letzten Abendmahl beginnt, sich vom Karfreitag, dem Tag der Kreuzigung, über den Karsamstag, den Tag der Grabesruhe und des Abstiegs Jesus in die Unterwelt, in der er der Überlieferung nach die Seelen der Gerechten seit Adam und Eva befreit hat, erstreckt und mit dem Ostersonntag als Tag der Auferstehung endet. Noch aber erwarte ich schweigend und fastend die morgige Auferstehung. Und ganz profan – mein Fastenbrechen. Heute Abend vermisse ich jedoch die Lichtfeier der Osternacht, meine Lieblingsmesse im Kirchenjahr, und wie ich als Pantheistin gestehen muss, auch meist neben der Christmette, meine einzige. Die Osternachtfeier ist eine Vigil, die zur Gänze im Dunkeln abgehalten wird. Zunächst wird die Osterkerze mit den Worten „Christus ist glorreich auferstanden vom Tod. Sein Licht vertreibe das Dunkel der Herzen“ am Osterfeuer entzündet. Dann ziehen die Priester mit der brennenden Kerze, unter dem dreimaligen Ruf „Lumen Christi“ auf welchen die Gläubigen „Deo gratias“ erwidern, in feierlicher Prozession in die dunkle weihrauchgeschwängerte Kirche ein, wo das Licht der Osterkerze zum Entzünden der eigenen Kerze weitergereicht wird.

Vergangenes Jahr feierte ich sogar zweimal Ostern – römisch katholisch in Frankfurt und eine Woche später griechisch orthodox in Kreta.

Die Osterkerze, ein Symbol des Leibes Christi und der Osternacht selbst, wird mit einem Kreuz, Alpha und Omega und 2020 ( bzw. der jeweiligen Jahreszahl) bezeichnet und vom Priester, dieses Jahr erstmalig unter Ausschluss der Öffentlichkeit, gesegnet: „Christus, gestern und heute, Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Sein ist die Macht und die Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen. Durch seine heiligen Wunden, die leuchten in Herrlichkeit, behüte uns und bewahre uns Christus, der Herr. Amen.“ Das Kreuz auf der Osterkerze ist das Lateinische Kreuz Crux immissa (auch Passionskreuz oder Langkreuz). Bei diesem ist der Längsbalken länger als der Querbalken, welcher den Längsbalken oberhalb von dessen Mitte kreuzt. In den westlichen Kirchen ist es die verbreiteste Form des christlichen Kreuzes. Ein Kreuz mit dem Leib des Gekreuzigten ist ein Kruzifix (lat. cruci fixus „ans Kreuz geheftet“).

Symbolisch verweist das Kreuz auf die Vereinigung von Himmel und Erde, Geist und Materie, Shiva und Shakti : der waagrechte Querbalken steht für die Verbundenheit mit der Erde und den Mitmenschen, die Senkrechte für das Göttliche. Oder im Sinne des Philosophen Sloterdijks für die „Vertikalspannung„, die uns hilft unserer Möglichkeiten bewusst zu werden, über uns hinauszuwachsen und in einem Religion genannten „spirituellen Übungssystem“ mit einem Gott zu trainieren. Die „Vertikalspannung“ steht bei Sloterdijk im „Gegensatz zur horizontalen Entspannung, die etwa im Sinne einer pandemischen Trivialisierung, des Behagens in der Kultur unterwegs ist„.

Das Zeichen der Passion Christi findet sich auch in Stein gegossen im Grundriss von vielen Kirchen. Das Querschiff kreuzt das Langhaus in der Nähe des Altars; die dadurch entstandene Vierung trennt den Chor und damit den Altarraum von den Besuchern der Kirche.

Grundriss Kölner Dom

Hanns-Josef Ortheil schreibt über seine Kindheitsbesuche im Gotteshaus…“Kirchen waren die aufgeräumtesten Wohnungen überhaupt und darüber hinaus Wohnungen, in denen jedes Detail, jeder Gegenstand, jeder Raumauschnitt etwas zu bedeuten hatte…Dann streckte man Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand aus und führte sie wieder in das geweihte Wasser…Danach führte man sie zunächst an die Stirn und machte dann mit Ihnen das Kreuzzeichen, indem man sie gegen die Brust und die Schultern rechts und links führte. Den Brauch des Bekreuzigens mit den Fingern gibt es übrigens schon seit dem 3. Jahrhundert, länger als das erst im 4. Jh. entstandene Lateinische Kreuz. Nachdem ich die Tage Frühjahrsputz gemacht habe (dieses Jahr ganz pandemisch korrekt ohne Putzfrau) sieht es in meiner Wohnung zwar noch nicht wie im Sacred Space aus, aber als Ordnungsfetischistin ohne Reinigungszwang, zumindest doch sehr aufgeräumt.

Für heute zu guter Letzt gibt es das Kreuzmotiv, Nomen est omen, auch bei Johann Sebastian Bach. B-A-C-H ist eine Folge von Noten, die aus vier aufeinander gelagerten Halbtönen besteht und den Namen „Bach“ ergibt. Die gegenüberliegenden Noten zeigen miteinander verbunden ein Kreuz.

Symbol der Internationalen Bachakademie Stuttgart

Liest man die zentrale Note nacheinander in den vier Notenschlüsseln, so ergibt sich B-A-C-H.

B-A-C-H in Notenschrift

Bach widmete einen großen Teil seines Schaffens der Kirchenmusik. Er schreibt Musik solle „nur zu Gottes Ehre und Recreation des Gemüths seyn.…“

Gerhard Richter Fenster im Kölner Dom

Mit diesem farbenfrohen Ausblick aus einem meiner Lieblingskirchenfenster verabschiede ich mich für heute, höre gleich noch etwas B-A-C-H und freue mich auf eine positive Auflösung der Passion, das Überwinden des Dunkeln. Morgen und jeden Tag.

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