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43°9′ südliche Breite, 147°51′ östliche Länge

Port Arthur ist ein kleiner Ort im Südosten von Tasmanien. Under Down Under. Eine ehemalige Sträflingskolonie, die größte Australiens. Auf dem weitläufigen 40 Hektar großen Gelände finden sich mehr als 60 verstreute Gebäude, Ruinen, Werft und Gärten, darunter einige vollständig restaurierte und eingerichtete Häuser. 

The Penitenary – ist eine besonders imposante Ruine.1843 als Getreidemühle und Speicher konstruiert, 1854-57 zur Strafanstalt für fast 500 Häftlinge umgewandelt. In den unteren Geschossen gab es 136 Zellen hinter schweren eisernen Gittern, in den oberen einen Schlafsaal mit Stockbetten für 348 Männer mit einem vermeintlich etwas besseren Charakter. Die meisten waren zuvor Gefangene auf den abgelegenen subantarktischen Norfolk Inseln.  

Über 166.000 Männer, Frauen und Kinder wurden zwischen 1787 und 1868 meist von Großbritannen und dessen Kolonien nach Australien verschifft. Es war der erste Versuch eine neue Gesellschaft, ein überseeisches Reich, mit der unbezahlten Arbeit von Gefangenen, am Rande der Welt aufzubauen. Viele Häftlinge wurden nach ihrer Entlassung Siedler. Tasmanien war seit 1804 Kolonie.

Die Transportation von Gefangenen zu Strafkolonien wurde zur Ausweitung der europäischen Einflussphäre vom 17. bis ins 20. Jh. genutzt: Imperiale Herrschaft. Ein zentrales Phänomen des 19. Jh mit Wirkungen weit darüber hinaus bis in die Gegenwart. Um 1800 gehörten 35% der Erdoberfläche zu einem Imperium, 1914 – 84%.

1877 wurde das Gefängnis geschlossen, 1897 ist es bei einem Brand bis auf einen Teil der Außenmauern zerstört worden. 

Als die Menschen aus der alten Welt ankamen fühlte sich alles etwas Upside Down an. Sie haben keine europäische Infrastruktur – Strassen, Brücken, Kirchen, Farmen, Häuser, Gärten – vorgefunden. Die Siedler haben diese dann aber rasch aufgebaut und das Gesicht von Tasmanien für immer geändert. Building an Empire.

Häuser passend zum jeweiligen Status der Offiziere, Ärzte, Geistlichen, Buchhalter, Polizisten und ihrer Familien. Die Aristokratie von Port Arthur. Eine idyllische koloniale Planstadt mit Kirche, Schule, herrlichen Gärten, in denen die Damen mit viktorianischen Schirmen zum Schutz vor der intensiven tasmanischen Sonne spazieren gingen. A reminder of homepretty cottages surrounded with gardens near the church. Good old Britannia?

Mein Haus, mein Garten, meine Frau (im Ehegefängnis?). Sauber, ordentlich, symmetrisch  disziplinierte Natur. Die neuen Siedler herrschen über die Natur, entgegen den Aborigines die ihr dienen.

Sonntags gehen sie in die Kirche – fest davon überzeugt gute Menschen zu sein…

Bis zu 1.100 Menschen nahmen an den verpflichtenden Sonntagsgottesdiensten teil.

Nach Port Arthur wurden Jugendliche, teilweise erst neunjährige Kinder, für Straftaten wie das Stehlen von Spielzeug entsandt. Genau wie die erwachsenen Insassen arbeiteten sie im Steinbruch oder bei der Errichtung von Gebäuden. Eines war die in gotischem Stil erbaute erste konfessionsübergreifende Kirche Australiens – mit Steinmetzarbeiten von den Jungen des Boys Prison.

Sie brannte bei den Buschfeuern der Jahre 1895 und 1897 ab. Doch ihre imposanten Grundmauern blieben stehen.

Ebenso wie der Einzelhaft Trakt, entworfen für eine neue Strafmethode – Reform durch Isolation und Kontemplation, statt harter körperlicher Bestrafung, Bestrafung des Geistes.

Die Gefangenen waren darin 23 Stunden täglich isoliert. Essen, Schlafen, Arbeiten auf 5 qm. Eine Stunde hielten sie sich in einem engen Gefängnishof mit hohen Mauern bei Leibesübungen auf. Nur der Himmel war zu sehen: ein Lichtblick. Lebenslänglich!

Nach oben ist immer Luft…es gab noch die Folterzellen. Dort herrschte: Überwachen und Strafen.

Foucault beschrieb wie sich diese Momente der Macht aus den Gefängnissen auslagerten und immer mehr auch in anderen Lebensbereichen wiederfanden…in Fabriken, Schulen, Kasernen…und Subjekte für eine sich neu formierende Gesellschaft schufen. Das Panopticon deutete Foucault als Architektur eines perfekten Gefängnisses. Aus dessen Mitte heraus können Wächter die rundherum angeordneten, offenen Gefängniszellen einsehen und die Insassen beobachten und bestrafen. Big brother is watching you.

Der Grundriss des Einzel- und Folterzellen Traktes sieht, aus der birdview betrachtet, wie ein Kirchenschiff aus.

Die Kirche repräsentierte die bedeutende Rolle von Religion in Port Arthurs convict reform.

Vom Kirchturm ist es nicht weit zum Wachturm im mittelalterlichen Stil, wo sonntags immer die Union Jack Fahne gehisst wurde.

Fliehen war zwecklos. Port Arthur war eines der sichersten Gefängnisse seiner Zeit, auf einer von der Tasmansee umschlossenen Halbinsel, nur über eine sehr schmale bewachte Landbrücke mit dem Festland verbunden. Dennoch gab es seltene Fluchtversuche, der berüchtigte war von Billy Hunt.

Er verkleidete sich als Känguru und versuchte die Flucht über die Eaglehawk Neck (400 m lang und an der schmalsten Stelle 30 m breit). Die Verkleidung war so gut, dass die hungrigen Wachen versuchten das vermeintliche Känguru zu schießen, woraufhin sich Hunt ergab.

Unweit vom Wachturm steht das Commandant´s House.

Home of rules and regulations…mit Veranda,

Himmelbett und paradiesischem Blick auf die Küste.

Die hochaufragenden Meeresklippen sind die höchsten der südlichen Hemisphäre.

Ich sehe die markanten Felsen später bei der Ausfahrt von meinem Luxusgefängnis der MS Europa 2 aus.

Tourismus ist Postkolonialismus. 

Nichts wie weg vom Inselknast der britischen Kolonialisten, der höllischen Insel unter der, wegen besonders guter Luft, intensiven Sonne Tasmaniens. Selten lagen Licht und Schatten – Hölle und Paradies – so nah beieinander.

Wo die Hölle ist gibt es auch Teufel – zumindest den tasmanischen Teufel. Nur hier zu finden, eines der ungewöhnlichsten Säugetiere der Welt. Er gehört mit Koalas und Kängurus zur Familie der Beuteltiere.

Und um die geht´s beim nächsten Stop meiner Reise: Kangoroo Island!

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