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Heute vor 40 Tagen hat Deutschland das Kontaktverbot beschlossen, vor 46 Tagen seine Grenzen weitestgehend geschlossen. 40 Tage nicole@home, das gab es bei mir seit der freiwillig eingehaltenen ayurvedischen Empfehlung für Frauen, wenn sie Mütter geworden waren, nicht mehr. Das quaranta giorni die Dauer einer Quarantäne sind ist mittlerweile bekannt, und das es die Erste 1374 in Venedig gab auch (siehe OBSESSED BY VENICE Blog vom 23.02.2020), das im 19. Jh Kontumaz (lat. contumacia Trotz, Stolz, Unbeugsamkeit) als Bezeichnung für Quarantäne geläufig war, wohl weniger. Wann wird der homo movens beginnen sich entsprechend unbeugsam zu verhalten und sich, obwohl er bestimmt schon zigmal Blaise Pascals Gedanke „Das ganze Unglück der Menschheit rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen“ gesendet bekommen hat, unruhig aus dem Zimmer seiner Alleinzeit bewegen ? Er ist es leid als „Zoon Zoomicon“, eine Spezies Mensch, die derzeit, von Philipp Preuss, Regisseur des Schauspiel Leipzig im Rahmen seines Internet-Liveprojektes „k.“, im Entstehen beobachtet wird, als isolierte Existenz , sich nur noch auf Videokonferenzplattformen zu bewegen. My world is my display. „Auf der Suche nach einer Struktur, immer wieder unterbrochen durch Verbindungsschwankungen, Bildstörung, kommunikatives Stottern. So sucht auch K., der Protagonist aus Kafkas „Schloss“, im Dorf nach Zugängen, Wegen, Netzknoten, Verbindungen zu den Bewohnern. K.s Irrlauf durch die Welt des Schlosses wird zu einer surrealen Parabel auf die neu entstandene hermetische Welt der Isolation.“

Szene aus „k.“ Internet Live-Projekt

Unter Nicht-Musikern auch eher unbekannt ist, das „Point d’Orgue“, Corona oder Coronata, eine alte Bezeichnung für Fermate, das Ruhezeichen und den Haltepunkt in der Musik war. Die Fermate (ital. fermare ‚anhalten‘) erscheint in Form einer nach unten offenen Parabel mit Punkt in der Mitte über einer Note oder Pause, als Aushaltezeichen welches Innehalten in der Bewegung anzeigt oder dem Solisten signalisiert, diese Stelle nach seinem individuellen Bedürfnis zu verzieren. Der Notenwert wird bis zum doppelten oder mehr verlängert…aber bestimmt nicht 40 fach, oder ? In der Frühromantik wird die Fermate auch zur Dehnung eines Taktes verwendet, um einen Taktwechsel zu vermeiden oder über dem Schlussstrich eines Satzes. Auch eine GENERALPAUSE wird durch Fermate gekennzeichnet. So eine Pause durchleben wir – aber wo ist der „Dirigent“, der einen Taktwechsel angibt oder gar einen Schlussstrich zieht !?

Die Fermate

Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und dann gebären…

Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben...

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinei
n“. Über die Geduld, Rainer Maria Rilke

Verstanden – versuche also geduldig zu sein, auch wenn es noch mehr Fragen als Antworten gibt und die weltweite Reisewarnung bis Mitte Juni verlängert worden ist. Ich gedenke des Abwesenden und hoffe auf einen Aufbruch voller Dynamik und Optimismus nach entschleunigten Monaten im privaten Idyll des, von einigen scheinbar fast schon herbeigesehnten, Neo Biedermeier.„Als wäre alles, was bis jetzt zur Rettung der Welt gefehlt hat, schlicht eine Katastrophe gewesen“ wie Valerie Fritsch so treffend in der FAZ schrieb.

Meine Sehnsucht nach Welt wächst. Ich überlege schon mal was ich in meinen Koffer packe… Komm ! Ins Offene, Freund ! (Hölderlin)

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