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50°33 nördliche Breite, 3°43′ östliche Länge

Chateau Beloeil, welches 1394 in den Besitz des Hochadelsgeschlecht de Ligne gelangte, ist die Ouvertüre zu meiner Gartenreise durch die Ile de France: geometrisch, grün und very french. Zunächst als Festung konstruiert, wurde das Gebäude im 17. und 18. Jh zum mehrstöckigen Schloss nach französischem Vorbild ausgebaut, 1664 um zwei Flügel und eine aufwendige Parkanlage erweitert.

Gartenanlagen gibt es in Belgien einige, aber keine ist beeindruckender als der 25 ha große Park mit seinem spiegelglatten See, aus dem das Wasserschloss Beloeil als Monument einer anderen Zeit und Welt herausragt. Der Park ist einer der schönsten französischen Gärten Europas. Es heißt, dass sein Erbauer ihn mehr liebte als seine Frau.

Französische Gärten sind meist große, regelmäßige Anlagen, die nach einem streng-geometrischen Plan durch Haupt- und Nebenachsen, die durch Kanäle, Bassins oder Wege gebildet werden, gegliedert sind und sich zu weiten Perspektiven öffnen, in Beloeil sogar zu fünf parallelen. Diese Sichtachsen werden auch „grüne Salons“ genannt.

Wasser ist im Park allgegenwärtig. Früher zierten bunte Fische die ornamentalen Bassins passend zu den Kostümen der Damen auf den fetes galantes, genau wie die sich in allen Farben präsentierenden Rosen, die Frau sich gerne ins Décolleté steckte. Heute blüht im ehemaligen Rosengarten, wo einst die ersten bengalischen Rosen Europas wuchsen, nicht eine Farbe mehr.

Die vier Bassins, der als Kreuz angelegten quattre mirroirs sind voller Algen und reflektieren schon lange nicht mehr den blauen Himmel und grüne Bäume, geschweige die Schönheit der lustwandelnden Damen.

Aber der Tempel der Pomona steht noch. Die römische Göttin der Baumfrüchte wurde in Adelskreisen sehr verehrt, da exotische Früchte im Ancien Regime ihren Besitzern mehr Prestige verliehen als heutzutage Luxuskarossen. Falls gerade für ein fürstliches Bankett keine Ananas in der Orangerie, in der im Winter die südländischen Pflanzen untergebracht wurden, reifte, wurde die begehrte Rarität zu Höchstpreisen gemietet. Rent an ananas.

Auf Schritt und Tritt begegne ich im weitläufigen Park Laubwänden aus manikürten Formschnittbäumen in den wechselnden Farben der Natur: hellgrün, dunkelgrün, weinrot.

Dies verleiht dem von einem Schüler des berühmten Landschaftsarchitekten Le Notre gestalteten Garten Tiefe und Rhythmus. 

Am seinem unteren Ende geht der klassische Park „à la française“ in einen englischen Landschaftsgarten mit gebogenen Wegen und Wasserläufen über. Es gibt keine Grotten, Brunnen und Skulpturen mehr, nur noch eine „natürliche“ Ideallandschaft: nature pure

Doch am Ende ist der englische Garten genau wie sein Vorgänger eine grüne Theaterkulisse, nur mit einer anderen Inszenierung.

Über Gärten lernen wir Menschen von einst und heute kennen. Vor 250 Jahren diskutierten Philosophen und Kunstliebhaber, was die Königin der Künste wäre. Nicht wenige, darunter auch „mein“ Frankfurter Goethe, kamen zu dem Schluss, dass diese die Gartenkunst wäre, denn in ihr vereinen sich alle anderen Künste, wie Architektur, Malerei und Bildhauerei, aber auch Musik, Theater und Mathematik.

Bevor ich den Park abends verlasse verweile ich noch bei der Skulpturengruppe des antiken Seegott Neptun, umringt von Seepferden und sonstigen mythologischen Kreaturen und komme zum Schluß, das der rational konstruierte barocke Garten Abbild des Absolutismus war, wo die Menschen dachten, das wenn sie die Natur beherrschten und korrigierten, Symmetrie und Harmonie herrschen.

Bon soir!

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