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Nach Bregenz und Rheingau Musikfestival nun mein Festspiel Blogpost aus Bayreuth. Ich hörte, sah, fühlte: Die Walküre. Sie ist nach dem Vorspiel (Das Rheingold) der erste Tag der Wagnerschen Ring Tetralogie. Das „Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend“; eine Weltparabel. Dieses Jahr konzertant, illustriert vom legendären Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch.

Es gehört zu den Ritualen auf dem Grünen Hügel, das die Besucher statt von einer gewöhnlich schrillen Klingel vom satten Bläserklang, passend zur jeweiligen Oper, ins Festspielhaus gebeten werden. Zehn Minuten vor Beginn erklingt das Motiv zweimal, fünf Minuten vorher – drei Mal.

Zunächst war das Bühnen Triptychon noch jungfräulich weiß, Dutzende auf dem Boden aufgereihte Farbeimer warteten auf ihren Einsatz.

Wie bei Nitsch üblich wurde nicht gepinselt (gekleckert), sondern geklotzt – Unmengen von Farben auf den sich nach und nach einfärbenden Boden geschüttet und von der Oberkante des Bühnenprospekt, von weiß gekleideten Malassistent:innen, langsam nach unten gegossen.

Für jeden der drei Aufzüge gab es eine neue Leinwand auf der jeweils andere Klänge, Farbverläufe, gemalt wurden: eine Farbsymphonie, „dirigiert“ von Nitschs unsichtbaren Regiepult. Die Saliromanin in mir war jedenfalls von diesem Über-fluss voll auf begeistert…

Am Bühnenrand stehen die Sängerinnen in ihren schwarzen Gewändern wie bei einem Oratorium, was das Sakrale dieser Inszenierung noch intensiver wirken lässt.

Irgendwann steigt eine Malassistentin im weißen Kleid auf ein Kreuz und wird mit roter Farbe begossen.

Schüttbild aus der 2. Walküre Aufführung

In gewisser Weise illustrieren die Farben die Handlung. Für die Liebesnacht im gewittrigen Wald kombiniert Nitsch beispielsweise Blau- und Grüntöne, die von leuchtendem Rot überschwemmt werden: Eine Farborgie. „Es ist nicht so, dass ich eine Inszenierung aufbaue, die der ‚Walküre‘ entspricht, sondern ich führe eine Malaktion durch, die wohl indirekt mit der farbenprächtigen, breit ausladenden Musik von Richard Wagner zu tun hat„. Nitsch

Schüttbild aus der 3. Walküre Aufführung

Es gab drei Aufführungen, sozusagen ein Bayreuther 3-Tage-Spiel. Same, same – but different.

Cesare Viazzi (1857-1943), La cavalcata delle Valchirie

Mit der legendären Melodie des Walkürenritt beginnt der dritte Akt. Dramatisch, feuerrot: Hojotoho! Hojotoho! Heiaha!

Die Farben rinnen feierlich herab, werden aus vollen Eimern geschüttet – ein unaufhörlicher Farbrausch – immer blutorange glühender werdend. Der Monstranzträger schreitet auf die Bühne. Eine Feier des Erhabenen.

Photo: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Bravi Rufe und Buhs – am Ende erscheint Nitsch auf einen Stock gestützt – alt und gebrechlich.

Auf nach Schloss Prinzendorf ins niederösterreichische Weinviertel – das Gesamtkunstwerk des 6-Tage-Spiels findet dort voraussichtlich im Juli 2022, 24 Jahre nach der ersten Verwirklichung, nochmals statt.

Foto: Archiv Cibulka Frey, 1998

Nitschs Idee zu einer sechs Tage und Nächte dauernden Aktionsarbeit geht auf das Jahr 1957 zurück. Der Künstler konzipierte unter Einfluss der Gesamtkunstwerksbestrebungen Richard Wagners sein synästhetisches Aktionstheater für alle fünf Sinne: Das Orgien Mysterien Theater.

2021 (Anmerkung – pandemiebedingt nun 2022) wollen wir das neue 6-tage spiel im schloss prinzendorf aufführen. freude wird die umgebung des schlosses durchstrahlen. das pfingstwunder, die ausschüttung des heiligen geistes wird identisch mit auferstehung, erleuchtung, erfahrung des pantheismus und brahman. der ekstatische zustand der seinsmystik wird erfahren. die orgiastische dionysische begeisterung ist in dem weinrausch eingebettet und in den sinnlichen vollzug der zerquetschung überreifer weintrauben, der zuckersüsse klebrige traubensaft rinnt über die finger. ein sakrament wird vollzogen. dem gegenüber steht das leuchtende weltall des gestirnten himmels und der schall kosmischer klänge. (2019) Hermann Nitsch

Thread of fate Installation von Chiharu Shiota

In der Pause schaue ich mir im Festspielpark statt fliessender Farb- rote Schicksalsfäden an.

Die Installation die aus großen ineinander verschlungenen Ringen besteht, die in rote Fäden eingesponnen sind, ist inspiriert von der Götterdämmerung. Der letzte Teil der Ring Tetralogie beginnt mit den drei Nornen, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, die den verwickelten Schicksalsfaden spinnen. Ist das Schicksal vorbestimmt ?

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