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Wo einst im Molitor Piscine, eines der luxuriösesten Schwimmbäder von Paris, 1929 von Lucien Pollet im Art-Deco Stil entworfen, die Reichen und Schönen badeten – schwimme heute ich – und sonst niemand!

Ziehe genüsslich unter dem imposanten Glasdach der drei Stockwerke hohen Schwimmhalle mit den luftigen Säulen meine Bahnen. Seine Glanzzeit erlebte das Piscine Molitor in den 30er und 40er Jahren. 1946 wurde es Kulisse der Modenschau des ersten Bikinis der Welt – dazu gleich mehr. Unverständlicherweise konnte das Molitor, (trotz Restaurant, Festräume, Café) die Besucher nicht dauerhaft in seinen Bann ziehen. 1989 wurde es geschlossen.

Das Art Déco Bad verfiel – mit Wänden, Fassaden und einem Pool voller Graffiti wurde der Lost Place. zu einem populären Party Treffpunkt Pariser Street-Art Künstler. Ein Tempel des Pariser Untergrunds, benannt nach der nahe gelegenen Métro Station Place Molitor. Sie wurde für den Verkehr des, auch im eleganten 16. Arrondissement gelegenen, Parc des Princes gebaut, jedoch nie geöffnet – eine „Station fantômes“.

Ausser der 33 Meter Schwimmbahn im Winterbecken gibt es noch ein 55 Meter! langes Sommerbecken im Außenbereich.

Dort präsentierte 1946 Micheline Bernardini, Nackttänzerin im Casino Paris, den provokanten „Bikini“ Zweiteiler. Benannt nach dem kleinen Atom-Atoll im Pazifischen Ozean, wo die USA damals die ersten Nuklearwaffentests durchführten. Der Erfinder des knappen Badekostüms – „nur 45 Zentimeter Stoff, passt in jede Streichholzschachtel“ – Louis Réard – fand das kreativ und explosiv…“Und tatsächlich schlug das neue Kleidungsstück in der damals noch sehr prüden Gesellschaft ein wie eine Bombe. Eine Revolution in der Modewelt!“ Itsy Bitsy Teenie Weenie Molitor-Strand-Bikini

Micheline hatte mit dem Kleidungsstück, das „bis auf den Geburtsnamen ihrer Mutter alles zeigte“, kein Problem – und wurde als erstes Bikini-Model berühmt. Doch zunächst fanden die ModenschaubesucherInnen den Stoffetzen aus vier Dreiecken: zwei unten, zwei oben – skandalös (dabei war der Bikini keine Neuerfindung; zweiteilige Badekleidung gab es bereits – bloß keine, die Pobacken und Bauchnabel freiließ).

Zeitungen und Modezeitschriften, allen voran die einflussreiche „Vogue“, versuchten solange es ging den Bikini zu ignorieren. Doch es ging nicht lange… da war er an den Stränden, im Molitor (siehe obiges Photo), einfach überall zu sehen.

„In deutschen Schwimmbädern tauchten Bikiniverbote in den Badeordnungen noch bis in die Siebzigerjahre auf. Nahezu jede gesellschaftliche Gruppe hatte irgendwas gegen den Bikini vorzubringen: Den Kommunisten galt er als Inbegriff bourgeoiser Dekadenz, den Feministinnen als Symbol der sexuellen Ausbeutung, den Kirchen als Werkzeug der Verderbnis“ (1949 erschien im „Osservatore Romano“ ein Artikel in dem stand, das wenn dereinst die apokalyptischen Reiter erscheinen würden, um das Jüngste Gericht und das Ende der Welt einzuleiten, dann würden sie Bikinis tragen) den Badeorte Bürgermeistern als öffentliche Belästigung.

Ich ziehe ganz im Einklang mit mir und den passionierten SchwimmerInnen um mich herum langsam meine Bahnen, belästige niemanden, fühle mich wie ein Fisch im Wasser: geschützt, gesegnet und getragen.

Apropos Fisch – ich bin im Sternzeichen Fisch geboren und habe heute Geburtstag. Mein Geschenk an mich ist Zeit für entspanntes Schwimmen im Molitor; Zeit für mich, Zeit in Paris.

Eröffnet wurde das Pracht-Bad 1929 übrigens von „Tarzan“-Darsteller und Profi-Schwimmer Johnny Weissmüller. Er schwamm bestimmt sportlicher und nicht so meditativ wie ich. Aber ich hoffe er hatte dennoch so viel Freude wie ich heute.

Das Sonnenlicht tanzt auf dem hellblauen Wasser des leeren Pools. Seit 2014 erstrahlt das Piscine Molitor wieder im neuen alten Glanz. Die Graffiti sind übermalt, etwas zu hell und grell leuchten die Wände. Zutritt hat wer im MGallery Molitor Hotel absteigt oder Pariser Schulkind ist.

Um Mode mit etwas weniger knappen Stoff geht es in meinem nächsten Pariser Blog über die Galerie Dior, aber vorher gehe ich nochmals eine Runde schwimmen – ist Abends auch schön – und noch leerer!

Itsy bitsy petit bikini – französische Version des in viele Sprachen übersetzten Schlagers – recorded 1960 by Dalida:

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