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35°01′ nördliche Breite, 135°76′ östliche Länge

金閣寺, Kinkaku-ji – „Goldener-Pavillon“ ist ein buddhistischer Tempel im bergumsäumten Nordwesten Kyōtos, 1397 von Ashikaga, einem ehemaligen Shōgun (Anführer eines Samurai-Clans) ursprünglich als Alterswohnsitz erbaut.

Ich nehme euch mit auf eine Umrundung dieses architektonischen Meisterwerkes der Kitayama Kultur. Ende des 14. Jh, erlebte das mittelalterliche Japan unter Ashikaga eines seiner politisch und wirtschaftlich stabilsten Phasen und die innovativste Kulturepoche seiner Geschichte: 北山文化, Kitayama bunka. Die Künste waren nicht länger nur für die höfische Elite und den Klerus sondern klassenübergreifend erlebbar. Im Austausch mit Strömungen chinesischer Kultur entstanden die heute als „traditionell japanisch“ geltenden Künste wie -Theater, Teezeremonie, Landschaftsgärtnerei und damit wuchs auch die Rolle der Zen-Klöster.

Berühmt ist die Tempelanlage für die „Reliquienhalle“, deren zwei obersten Etagen vollständig mit Blattgold überzogen sind und sie wortwörtlich strahlen lässt. Alles so schön golden hier…

Der Tempel schmiegt sich sanft in die Landschaft und spiegelt den harmonischen Einklang zwischen Mensch und Natur wider, die Grenzen zwischen Gartenkultur und Natur verschwimmen.

Dies entspricht dem ästhetischen Empfinden der Ashikaga-Zeit, wo Gärten und Tempelanlagen die buddhistische Weltsicht veranschaulichen sollten. Die Natur als lebender Organismus – mit Steinen als Knochen, Wasser als Blut, Pflanzen als Adern und Licht als goldenem Herzen.

Besonders schön ist das Lichtspiel wenn der Spiegelteich, Kyōkochi, direkt von Sonnenstrahlen getroffen wird und die Aura des Kinkaku voll ersichtlich wird. Spieglein, Spieglein im See – wer ist der schönste (Tempel) im Land?

Das Erdgeschoss im Shinden-Stil mit naturbelassenen Holzpfeilern und schlichten weisen Wänden bildet einen Gegensatz zu den goldüberzogenen von Rundbalkonen umringten Obergeschossen, wie besonders an der Rückseite des Pavillons zu sehen. Feingliedrige Säulen und ein nach oben geschwungenes Pagodendach betonen die leichte Bauweise sowie das elegante Erscheinungsbild des Tempels. Die Architektur des Shinden-Stils entspricht der buddhistischen „Schule des Reinen Landes“. Bauwerke sollen mittels heller und transitorischer Räume in das sie umgebende Gartenkunstwerk hineinfliessen und stets Energie und Kreativität wecken. Es lebe das Chi!

Gekrönt ist der Bau mit einem goldenen Fenghuang, einem sagenumwobenen glücksbringenden Feuervogel.

Soko de chiisana natsu no hano wo mite, sore ga asatsuyu ni nurete oborona hikari wo hanatte iru yô ni utsukushii, to watashi wa omotta. / „Sah ich kleine Sommerblüten, und sie waren von Morgentau feucht, und ein mattes Licht schien von ihnen auszugehen, so dachte ich, daß sie so schön seien wie die Goldene Halle.“ Mishima

Bin ganz geblendet – alles was glänzt ist Gold – außen wie innen, zumindest im obersten Stockwerk welches auch innen mit Blattgold verziert ist.

Besonders schön und kontrastreich zu weißem Schnee und blauem Himmel im Winter. Noch ein Grund wieder nach Japan zu reisen. Es muss nicht immer Hanami (die Kirschblüte) sein…

furikomu seppen ga, kukyôchô no nani mo nai chiisana kûkan wo tobimeguri, yagate kabemen no furui sabita kimpaku ni tomatte, ikitaete, chiisana kin’iro no tsuyu wo musubu ni itaru made …/„… wie die hineinfallenden Schneeflocken in dem schmalen Raum … herumwirbelten, sich langsam auf den alten Goldplättchen der Innenwand niederließen, bis sie, ihr Leben aushauchend, als kleine goldene Tautröpfchen sich mit ihr verbunden hatten.“ Mishima

Der Kinkakuji wurde 1950 vom einem dort als Novize lebenden buddhistischen Mönch in Brand gesetzt, da er die Schönheit des Pavillons nicht ertragen konnte. Hatte der Fenghuang geschlafen oder war er in tiefer Meditation versunken?

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Burned_Kinkaku.jpeg

Dieses Ereignis hielt Mishima 1956 in seinem Buch Kinkakuji, „Der Tempelbrand“ fest.

Der goldene Pavillon umfing mich in seiner Absolutheit. Besass ich ihn, oder wurde ich von ihm besessen?“ Die Obsession des Mönches Mizoguchis nimmt in jedem Kapitel zu. Ihn quält der Gedanke, dieser bestehe zeitlos und unabhängig von ihm, er glaubt, er existiere dadurch in einer anderen Welt als er selbst, dessen Leben vergänglich ist. Er kann mit Frauen nicht intim werden, da sich dabei jedes Mal der Gedanke an die Goldene Halle in sein Bewusstsein drängt. Er wünscht sich deren Zerstörung durch Sturm oder einen Bombenangriff. Erst als er seinen Entschluss zur Brandstiftung gefasst hat, kann er eine Prostituierte besuchen und mit ihr schlafen.

Ein erschütterndes maskulines Psychogramm, toxische Mischung aus Komplex, Zerstörung, Gewalt und Sexualität – leider brandaktuell.

1955 gelang es eine genaue Replik des „Goldenen Pavillons“ zu rekonstruieren und ihn wieder aufzubauen, seit 1994 zählt er zum UNESCO-Weltkulturerbe „Historisches Kyōto“, über das ich noch einiges schreiben werde.

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