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45°45′ nördliche Breite, 11°54′ östliche Länge

Tomba Brion, auch Memoriale Brion bezeichnet, in San Vito D’Altivole in Venetien ist eine Pilgerstätte für Liebhaber des venezianischen Architekten Carlo Scarpa. Dort errichtete er 1969 im Auftrag von Onorina Tomasin-Brion (1919–2002) Familiengrab- und Gedenkstätte, zum Andenken an ihren früh verstorbenen Mann Giuseppe Brion (1909–1968), der dort eine spektakuläre letzte Ruhe in seinem Geburtsort fand. Er war Gründer und Eigentümer des Elektronikkonzerns Brionvega – eine ziemlich coole Brand, deren ikonische Designklassiker heute im MoMA stehen.

Die An­lage ist ein kom­ple­xes Ge­bilde un­ter­schied­lichs­ter Bau­for­men, Platz­bil­dun­gen, We­ge­füh­run­gen und Perspektiven. Von Weitwinkel zu Punkten ohne Ausblick mit konzentriertem Blick auf die Nähe.

Ein En­sem­ble von fünf Ge­bäu­den: Die Propyläen, die mit einer asymmetrische Fassade den monumentalen Eingang zur Gedenkstätte bilden, die links von einer Wand und rechts von einer Reihe vertikaler Stufen geschlossen wird. Das Arcosolium, dem Haupt­grab­mal in Form eines brü­cken­ar­ti­gen Bo­gens, unter dem die einander zugeneigten Sarkophage der beiden Brion´s auf einer kreis­run­den, etwas ab­ge­senk­ten Flä­che ste­hen. Ein symbolischer Übergang.

Beam me up!

Der Komplex legt sich auf 2.000 m2 in Form eines L um den alten Gemeindefriedhof von S. Vito, von einer hohen Mauer in Schräglage umschlossen, die nur an wenigen Einschnitten Durchblicke auf die umliegende Landschaft bietet:

Dorfkirche und die nahen Ausläufer der Alpen.

Zwei Wege führen ans Ziel – entweder durch einen externen, unscheinbaren Eingang über einen kleinen Teich zur Kapelle oder man tritt vom Gemeindefriedhof ein und hat als erstes die zwei ikonischen ineinander verschlungenen Kreise vor Augen, die Durchblick auf die Gartenanlage bieten.

Sie durchdringen sich gegenseitig in rosa und hellblau – erinnern an Eheringe, das Symbol der Ehe und der Unendlichkeit…das Weibliche und Männliche.

Nicht nur ein harmonisches Zusammenspiel der Geschlechter, auch von Natur und Architektur habe ich an diesem hinter mächtigen Mauern versteckten Ort, der an einen japanischen Garten erinnert, gefunden. Scarpa hat sich für Tomba Brion, den „Garten des Todes“ sehr von japanischer Gartenkultur und ihrer Liebe zum Transitorischen inspirieren lassen. Sacred space.

Weiter gehts zum Tempietto, ein aus dem Boden gehobener Betonkasten, zum klei­nen Meditationspa­vil­lon aus Holz und Stahl, der sich auf einer Lotusteichinsel am Süd­ende des Grund­stücks be­fin­det.

Der kleine Padiglioncino auf der großen Wasserfläche – vielleicht eine Anspielung an Venedig, die Geburtsstadt von Scarpa?

Von dort startete unsere Exkursion – kuratiert von Ann Sophia, Architektur Studentin, Tochter. Als Brutalismus Liebhaberin mit der Wahl des Ortes sehr zufrieden, wie auf obigen Photo ersichtlich.

Immer wieder begegne ich der Formation von zwei Kreisen oder kreisförmigen Bauteilen, glitzerndem Gold, ornamentale Details, Marmorputz à la veneziana, Mosaiken aus Murano-Glas. Love to Detail.

Alle Details der Architektur wie auch Türen und Beschriftungen sind einheitlich gestaltet. Wie schon 1959 beim Olivetti-Showroom in Venedig (abgesehen von den phantastischen Palazzis eines meiner dortigen Lieblingsgebäude).

Alle Kanten und Ecken bekommen bei Tomba Brion eine dekorative, ornamentale Rolle. Vergoldete Kanten und der Einsatz farbiger Fliesen unterstreichen die Wirkung dieser Elemente.

Sie stehen im Kontrast zu den Sichtbetonwänden, mit gut sichtbarer Struktur der Schalungsbretter: Refined Brutalism.

Last not least noch No 5 – die Aussegnungshalle.

Eine klei­ne, öf­fent­lich ge­nutz­te Halle, um die herum auch wieder ein Was­ser­be­cken an­ge­legt ist.

Scarpas Zuneigung zur japanischen Architektur und Gartenkunst, sein subtiler Umgang mit dem Genius Loci, seine Detailobsession kommen hier besonders stark zum Ausdruck.

Benetzte zum Abschied meine Finger mit einigen Tropfen aus dem futuristischen Weihwasserbecken und schlage ein Kreuz: Im Namen des Vaters, des Sohnes, des heiligen Geistes und Carlo Scarpa!

Scarpa, der 1978 nach einem Unfall in Japan starb, ist am Rande der Anlage unter einer Platte beigesetzt, die der Gestaltung der Anlage entspricht. Der vielgestaltige Komplex wurde zwischen 1970 und dem Tod Scarpas 1978 gebaut und gilt als eines seiner bedeutendsten Werke.

Vergangenen Sommer wurden auf dem Gelände einige Szenen von Dune II gedreht. Leider hat sich Dune Hero Timothée Chalamet bei meinem Besuch nicht materialisiert – es wäre vielleicht eine spannende Begegnung geworden – das Männliche und Weibliche vereint…

I would like to explain the Brion Cemetery…I consider this work, if you permit me, to be rather good and which will get better over time. I have tried to put some poetic imagination into it, though not in order to create poetic architecture but to make a certain kind of architecture that could emanate a sense of formal poetry….The place for the dead is a garden….I wanted to show some ways in which you could approach death in a social and civic way; and further what meaning there was in death, in the ephemerality of life – other than these shoe-boxes.” (Carlo Scarpa)

https://www.youtube.com/watch?v=pnlcTYb2CBc

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