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24°47′ nördliche Breite, 54°37`östliche Länge

Auch wenn ich mich bei meinen Passagen zwischen Orient und Okzident gerade in deren einstigen Mittelpunkt Venedig befinde, springe ich einige Monate zurück und beame mich in den Säulengang der nach Scheich Zayed bin Sultan Al Nahyan, dem ersten Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, benannten Moschee in Abu Dhabi. Der Bau, in dem architektonische Stile aus verschiedenen muslimischen Zivilisationen einflossen, war sein letzter Wille. Dafür hinterließ er etwa 350 Mio. Euro aus seinem Privatvermögen, was jedoch bei weitem nicht reichte.

Sie ist die größte Moschee in den Vereinigten Arabischen Emiraten und wird von Einheimischen daher nur kurz und knapp „Große Moschee“ genannt. Der im Südosten der Stadt, in der Nähe des Meeresarms Khor Al Maqta, liegende Sakralbau wurde 2007 fertiggestellt. Im Islam gibt es keine Scheu die Formensprache einer jahrhundertealten Architektur 1:1 in die Gegenwart zu übertragen, sondern vielmehr Stolz auf ein architektonisches Kunstwerk was aussieht wie früher…

Doch zugegeben, die aus schneeweißem (der muslimischen Farbe des Friedens) Marmor erbaute, mit floralen Mustern, auffallend vielen goldenen Akzenten sowie Perlmutt verzierte Moschee strahlt einen, auch mich in den Bann ziehenden, märchenhaften Charme von Tausendundeiner Nacht aus.

Die Architektur und die Verarbeitung edler Materialien hat aber noch eine höhere Bedeutung als nur ihr traumhaftes Aussehen: die 70 Meter hohe Kuppel über dem Gebetsraum soll das Abbild des Paradieses darstellen. Die umgebenden Säulenhallen zitieren die lokale Palmenvegetation mit dem gestalterischen Leitmotiv einer floralen Säule, die alle Bereiche des Gebäude-Ensembles miteinander verbindet und im großen Gebetssaal zu einem „Wald“ aus hohen eng gestaffelten Säulen wird. 

Doch sie wäre nicht eine Moschee in den Emiraten, wenn sie nicht weltweite Rekorde halten würde – und davon hat sie gleich drei: mit einem Durchmesser von 32,2 Metern gilt die Hauptkuppel als größte Moscheekuppel, unter welcher gleich der nächste Superlativ hängt: der weltgrößte Kronleuchter. Den Boden schmückt der ebenfalls weltgrößte handgeknüpfte Teppich: er besteht aus 2,2 Milliarden Knoten auf 5625 Quadratmetern…

Mit ihren unzähligen prunkvollen Kuppeln und Minaretten, Böden und Säulen aus Amethyst, Jaspis und Marmor bietet die Moschee Platz für 40.000 Gläubige. Auch Nichtmuslime können das Gebetshaus im Vergleich zu vielen anderen Moscheen täglich besuchen. Damit verkörpert sie eine der wichtigsten, oft aber nicht gelebten Botschaften des Islams: Frieden, Toleranz und Offenheit für Menschen aller Glaubensrichtungen. Leider gibt es nur wenige ihrer Art.

Am Eingang wird die Kleiderordnung kontrolliert, wer dieser nicht entspricht muß sich eine Abaya überziehen. Nicht nötig – als modebewußte Möchtegern-Muslima komme ich stilecht verhüllt in die heiligen Gefilde hinein.

Das Innere der Moschee ist mit weiter oben beschriebenem kunstvollem Teppich aus dem Iran ausgelegt und darf wie alle orientalischen Gotteshäuser, und mein Wohnhaus übrigens auch, nicht mit Schuhen betreten werden. Fliegen kann er aber leider nicht…

Nichtsdestotrotz setze ich mich mit gekreuzten Beinen auf ihn, meditiere ein wenig und danke der universellen Weisheit in all ihren göttlichen Erscheinungsweisen, das ich ein weiteres topophiles Highlight erleben durfte: Amen, wie Juden, Christen und Muslime gleichermaßen ihr Gebet beenden.

Das Bauwerk wurde vor 15 Jahren im Monat Ramadan (arabisch رمضان, heißer Monat‚) eröffnet. Es ist der Fastenmonat der Muslime und neunter Monat des islamischen Mondkalenders. Das Ende des Ramadan ist für gläubige Muslime ein sehr wichtiger Festtag, er wurde dieses Jahr Anfang Mai gefeiert. Er wird auch Eid al-Fitr, das Fest des Fastenbrechens genannt. Mit dem „Zuckerfest“ danken Muslime Allah dafür, dass sie die Kraft für das Fasten und alle mit dem Ramadan verbundenen religiösen Aufgaben gefunden haben, so auch dem Bau dieser beeindruckenden Moschee.

Gottes ist der Orient!
Gottes ist der Okzident!
Nord- und südliches Gelände
Ruht im Frieden seiner Hände.

Johann Wolfgang von Goethe, aus Talismanen

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